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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Fleming
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schließlich geräucherten Aal. Dazu servierte eine üppige junge Frau, deren schwarze Locken unter einem gepunkteten Kopftuch hervorquollen, Bramante einen kräftigen Bianco aus der Region, dem er eifrig zusprach. Noch während der Mahlzeit neigte sich der Wirt verschwörerisch zu ihm hinüber und flüsterte. »Ihr werdet um Mitternacht in der Kirche San Vitale erwartet, Messèr Bramante.«
    Bramante stopfte sich gleich drei Leberstücke aus dem dampfenden bollito auf einmal in den Mund und schmatzte vergnügt, obwohl sie noch so heiß waren, dass sie ihm eigentlich hätten Zunge und Gaumen verbrennen müssen. Aber er hatte in seiner Jugend gelernt, dass für denjenigen, der wartete, bis das Essen abgekühlt war, kein Bissen mehr übrig blieb. Da er die Gesellschaft von unten nach oben durchmessen hatte, kannte er die Menschen und verachtete sie. Niemand war besser, weil er besser lebte als die vielen anderen, und niemand war schlechter als sie, weil er schlechter lebte. Aber auch das Gegenteil, das ein gewisser Savonarola in Florenz verkündete, traf nicht zu. Armut war keine Tugend und Reichtum kein Laster. Der arme Mann war nicht besser oder Gott wohlgefälliger, weil er arm war. Und mochte es dem reichen Mann auch so vorkommen, wenn er sich den Pansen vollschlug, dass er im Himmel logierte, er befand sich immer noch im irdischen Jammertal. Deshalb war und blieb Demut für Bramante ein Fremdwort. Er glaubte nicht daran, dass er etwas bekam, weil er auf etwas verzichtete, solche Gedanken gehörten nicht zu seinem Naturell. Man besaß nur, was man sich nahm. Spätestens auf dem Abtritt würde ihm das wieder zu Bewusstsein kommen, dachte Bramante. Genau genommen ging es doch gar nicht um Reichtum oder Armut, schon gar nicht um Gerechtigkeit. Aber das alles grenzte schon an Philosophie, mit der er sich nicht beschäftigen wollte, weil sie ihm den Bauch nicht füllte und keine Frau in sein Bett brachte. Er empfand sich als treuer Ritter der Fortuna und fürchtete das Unglück wie der Teufel das Weihwasser. Und die Beschäftigung mit der Philosophie machte den Menschen nun einmal unglücklich. Das hatte er oft beobachtet.
    »Ist diese Kirche weit von hier?«, fragte er den Wirt mit vollem Mund. Das flüssige Fett des Eintopfs troff ihm aus den Mundwinkeln, brachte Bartstoppeln und Kinn zum Glänzen und hinterließ dunkle Flecken auf seinem weißen Hemd.
    Girolamo schüttelte den Kopf. »Keine zwei Gassen von hier, nicht zu verfehlen.«
    Bramante rülpste herzhaft und blinzelte dem Wirt verschwörerisch zu. »Könnt Ihr ein Mädchen besorgen? So eine Dralle, Ihr wisst schon.« Er warf einen suchenden Blick durch den Gastraum, hob seine großen Hände und fügte lächelnd hinzu: »Sie sollen ordentlich zu tun bekommen.«
    »Ruht Euch lieber aus. Es wird anstrengend genug!«, sagte Girolamo, ohne eine Miene zu verziehen.
    Ihre Blicke maßen sich kurz, dann brummte Bramante versöhnlich: »Ihr mögt recht haben. Ein paar Stunden Schlaf tun mir sicher gut, obwohl ich noch genügend ausruhen kann, wenn ich erst tot bin und die verdammten Würmer ein Festmahl an mir halten.«
    Melancholisch betrachtete er den Suppentopf und dachte, dass er im Grunde den Fleischtopf nur für die Würmer vorverdaute. Diese waren die eigentlichen Herren der Welt, nicht die Menschen. Dann schaute er noch einmal mit letzter Hoffnung auf, die er aber sogleich fahren ließ, als er auf den unnachgiebigen Blick Girolamos traf. Was für ein Pech! Dies war der erste Wirt, dem er begegnete, der sich als Tugendbold entpuppte, dachte Bramante resigniert. Dann stöhnte er kurz auf und bat den vermeintlichen Asketen, ihn kurz vor Mitternacht zu wecken.
    Als er schnaufend und prustend die Stufen zu seiner Unterkunft erklomm, wunderte er sich über sich selbst und das krude Abenteuer, auf das er sich da eingelassen hatte. Mochte es endlich für ihn die Tür zum ewigen Ruhm aufstoßen!
    Er wusste immer noch nicht, ob hinter dem Ganzen nur ein Schabernack oder eine ernsthafte Angelegenheit steckte. Vor ein paar Tagen hatte Leonardo ihn bei einer Hofgesellschaft beiseitegenommen und ihm zugeflüstert: »Wenn Ihr zu Gottes Baumeistern zählen und in die letzten Geheimnisse der Kunst eingeweiht werden wollt, findet Euch in zwei Tagen im Gasthof ›Zum tatkräftigen Hiram‹ in Ravenna ein. Alles Weitere erfahrt Ihr vom Wirt Girolamo. Ihr könnt ihm vertrauen, er gehört zu uns.«
    Leonardo war es auch, der ihn kurz unterwiesen hatte, was er auf die Frage nach
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