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Gott sacker Kriminalroman

Titel: Gott sacker Kriminalroman
Autoren: Michael Boenke
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    Die Eingeweide verschmierten sich zu einem
gelblichweißen Brei, der mir das Sehen erschwerte. Mit meinen schwarzen
Lederhandschuhen versuchte ich die zäher werdende Masse zu beseitigen. Aber das
Geschmiere wurde nur noch schlimmer.
    Ich beschnitt den Vorwärtsdrang meiner nachtschwarzen Harley,
indem ich die rechte Hand vom Gas nahm. Die Bremswirkung des schweren V-Motors
ließ mich auf der schmalen Straße ausrollen. Das Visier nach oben – wieder
freie Sicht.
    Gottverdammte Drecksviecher.
    Ich manövrierte das schwere Eisen rechts auf den
unbefestigten Rand der Straße.
    Die Augustsonne versetzte mir einen sanften Schlag auf den
Kopf, als ich den Helm abnahm. Der Geruch von heißem Motor, Straßenhitze und
Gras – und noch irgendetwas anderem stieg in meine Nase. Mit einem zerknüllten
Papiertaschentuch aus meiner Lederjacke und viel Spucke versuchte ich, die
Überreste des geborstenen Insektes von meinem Visier zu entfernen. Den
krustigen Chitinpanzer zog ich vorsichtig mit dem Fingernagel meines Daumens
vom empfindlichen Sichtschutz. Aus den Fragmenten des gesplitterten
Chitinpanzers, die grünlich in der Sonne schillerten, schloss ich, eine
Schmeißfliege vom fliegenden in den endgültig statischen Zustand gebracht zu
haben.
    Jetzt erst fiel mir auf, dass die stehende Hitze nicht nur
vom Musizieren der Grillen erfüllt war; eine eintönige an- und abschwellende
Melodie des Summens bildete die Bassbegleitung. Über der einsamen Riedstraße
zeichnete die Hitze eigenartige Schlieren in die Luft. Von der heißen Straße
schlug der Geruch von Teer in mein Gesicht, vom Dorf her roch es nach Mist. Dem
ländlich-olfaktorischen Gemenge schien aber noch etwas anderes beigemischt,
wellenartig trug mir die heiße Luft einen süßlich widerlichen Geruch zu. Wäre
nicht das Summen gewesen, hätte ich bestimmt schnell wieder das vor Hitze
tickende Motorrad bestiegen und wäre weitergefahren, um mir etwas Kühlung durch
den Fahrtwind zu verschaffen.
    Jetzt sah ich es. Direkt neben der halb zerfallenen Kapelle,
die schief auf riedigem Boden stand, manifestierte sich das Summen in einem
dunklen Schwarm fetter Fliegen. Sie schienen in einem konzertanten nervösen
Luftreigen um die Kapelle herumzutanzen. Neugierig ging ich näher an das
baufällige Gotteshäuschen heran.
    Ich wohne schon so lange auf dem Land, dass mir der Geruch,
der jetzt noch dichter von der Kapelle herübergetragen wurde, nicht fremd war.
    In der Stadt riecht man es nicht, dort werden überfahrene
oder sonst irgendwie zu Tode gekommene Tiere sofort von der Stadtreinigung
weggeräumt. Ein totes Tier ist nicht gut für den anwachsenden Städtetourismus.
    Nicht so auf dem Land, vor allem nicht hier an dieser Straße,
wo man noch stundenlang warten kann, bis ein Auto vorbeikommt.
    Der Geruch war eindeutig der des Todes. Irgendein Tier musste
hier schon etwas länger neben der alten Kapelle in der Sonne liegen. Ein Tier,
das mit Sicherheit nicht mehr lebte.
    Wie hatte der Freiburger Professor Schlesinger in seiner
Vorlesung für die Erstsemester ›Post mortem est ante mortem‹ gesagt: »Vergessen
Sie das mit dem Puls – erst wenn Sie den Tod riechen …« Und jetzt roch ich
ihn in seiner ekelhaftesten Art.
    Vielleicht ein Reh, für eine Maus braucht es nicht so viele
Fliegen.
    Durch das hohe Gras lief ich auf dem weichen Boden zur
Schattenseite der Kapelle. Aus dem Geruch wurde Gestank. Ich atmete durch den
Mund und versuchte, meine Nase aus dem Atmungsprozess auszuschließen. Die
Fliegen schienen mein Eindringen in ihren Bereich übel zu nehmen. Einige der
grünlich schimmernden Insekten versuchten auf meiner schweißnassen Stirn zu
landen.
    Ich lebe doch noch – bestimmt der Knoblauch, … Spaghetti
aglio olio …
    Dies, eines meiner Leibgerichte, da schnell zubereitet und
von exzellentem Nährwert, hatte ich mir gestern Abend zubereitet. Und mit
Knoblauch gewiss nicht gespart. Der Gedanke an das feine Pastagericht zauberte
mir ein retrospektives Lächeln ins Gesicht, das jedoch durch einen Atemfehler
jäh wieder verschwand und einem Gefühl schlagartiger Übelkeit Platz machte. Ich
würgte, schluckte und dachte schon daran, wieder umzukehren, als ich den Schuh
auf der Erde liegen sah. Es war bei Gott kein schlechter Schuh, kein
italienischer Schick, aber solides Wanderwerkzeug aus braunem Leder. Und lange
lag der bestimmt nicht.
    Ein zweiter wäre nicht schlecht – auch zum Motorradfahren gut
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