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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Fleming
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seinem Begehr antworten musste. Bramante war in den berühmten Kollegen gedrungen, um Näheres zu erfahren, aber der hatte ihm nur zugeraunt: »Enthülle es nicht, wenn dir die Freiheit lieb ist, denn mein Angesicht ist der Kerker der Liebe.«
    Über die geheimnisvollen Worte Leonardos grübelte Bramante indes nicht weiter nach. Er hatte es bereits zu Anfang ihrer Bekanntschaft aufgegeben, Leonardos ständige Rätselsprüche lösen zu wollen. Dieser Notarsohn aus dem bergigen Vinci war schon ein komischer Kauz, immer außergewöhnlich elegant gekleidet und von einem Rudel junger Männer umgeben, einer schöner als der andere. Leonardo trieb einen Aufwand um sein Äußeres wie eine Frau. Ungewaschen oder auch nur mit schmutzigen Fingernägeln hatte ihn noch niemand gesehen, während sich Bramante nicht daran erinnern konnte, wann er sich das letzte Mal die Nägel gesäubert hatte. Gründlich gewaschen hatte er sich wohl einmal in den vergangenen Wochen, und er hielt sich deshalb für einen außerordentlich reinlichen Menschen. Ganz abgesehen von den gesundheitlichen Risiken, die man einging, wenn man seinen Körper zu oft mit Wasser in Berührung brachte.
    Das Zimmer war die erste saubere Unterkunft in einem Gasthof, die er seit seinem Aufbruch aus Mailand vorfand. Auch das Bett wirkte frisch. Bramante begann schon zu hoffen, dass er diesmal von Wanzenstichen verschont bliebe. Mit einiger Mühe brachte er die Stiefel von seinen feisten Waden herunter und ließ sich dann erschöpft angekleidet auf die Schlafstätte fallen. Sogleich sank er in tiefen Schlaf, selig schnarchend wie ein gesättigtes Walross. Er hatte nicht einmal mehr das gequälte Knarren vernommen, das der strohbedeckte Bettkasten beim Aufprall seines wuchtigen Körpers von sich gegeben hatte.
    Rom, Anno Domini 1492
    Zur gleichen Zeit durfte sich Giacomo Kardinal Catalano in seinem Zimmer im Erzpriesterhaus gleich neben der Peterskirche endlich die bleichende Schminke aus dem Gesicht waschen, mit der er seinen braunen Teint aufhellte. Zuvor hatte er die Stiefel ausgezogen und Wams und Hose abgelegt. In dieser weltlichen Reisekleidung, die jetzt noch dazu von einer so dicken Kruste aus Schmutz und Staub überzogen war, dass die ursprünglichen Farben kaum noch zu erkennen waren, hatte er sich wie immer fremd gefühlt. Vor dem Spiegel in seiner Kammer rasierte er sich den Bart und nahm dann ein erfrischendes Bad. Als er die saubere Mönchskutte über seinen nackten, makellosen Körper streifte, stieß er einen tiefen Seufzer aus: Wieder zu Hause, endlich!
    Es tat so gut, das grobe Habit auf der Haut zu spüren! Den festen Wollstoff würde er gegen keinen Damast, keinen Brokat und keine Seide eintauschen. Die Weite der Kutte, die den Leib nicht wie eine Hose einschnürte, verlieh ihm schon rein körperlich ein Gefühl der Freiheit. Leider zwang ihn der Dienst des Herrn immer wieder in die Gesellschaft und in die verhasste Alltagskleidung, bei der durch die Hodenkapsel seine männlichen Reize hervorgehoben wurden. Er selbst empfand das als qualvolle Prüfung, denn solche Eitelkeiten galt es zu unterdrücken. Je wohlgefälliger die Augen der Frauen auf ihm ruhten, desto stärker forderte Gott seine Tugend heraus. Und er hatte keine Möglichkeit, dem Jahrmarkt der Eitelkeit zu entfliehen, ganz im Gegenteil! Oft musste er seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht sogar bewusst dazu benutzen, um seine Arbeit im Dienste des Herrn zum Erfolg zu führen. Obwohl er sich gegen die Verführung wehrte, stellten die Frauen eine ernsthafte Gefahr für ihn dar – ihr Blick, der ihn wie ein plötzlicher Rapierstoß direkt ins Herz traf, die leicht geöffneten Lippen, das sanft gerundete Dekolleté, das umso mehr enthüllte, zumindest der Fantasie, umso mehr es verbarg, und schließlich der Schwung der Hüften, der ihm die Sinne schwinden ließ, weil sie eine paradiesische Frucht verhießen.
    Er träumte davon, weit entfernt vom allzu irdischen Dasein mit seinen Begierden, Geilheiten, Betrügereien, Gemeinheiten, Drangsalen und Morden in Kontemplation und Andacht zu leben. Aber dazu hatte er nun einmal den falschen Orden gewählt, vielmehr hatte es die Vorsehung so entschieden. Dass er, statt die ersehnte zurückgezogene Existenz zu führen, immer wieder in heiklen Missionen in die profane Welt hinausgetrieben wurde, schrieb er seinen Sünden zu. Er verstand es als Buße. Je größer die Gefahr für Leib und Seele, desto umfassender, so hoffte er, wäre auch die
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