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Ich habe die Unschuld kotzen sehen

Titel: Ich habe die Unschuld kotzen sehen
Autoren: Dirk Bernemann
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anhal tender beruflicher Raserei dann endlich ...
     
    . .. vor Ort. Atemschutzgeräte angelegt. Rein ins Feuerunwesen. Der Himmel über uns glänzt neongrün, als wir eintreffen: apokalyptische Atmosphäre. Überall giftige Glut. Wütende Macht. Viel bunter Rauch. In allen Gebäuden auf diesem Gelände vernichten Flammen in verschiedenen Farben Häu ser und Häuserteile.
    Flammentanz gegen Bausubstanz.
    Was stand, fällt. Aus allen von hier aus sichtbaren Fenstern schreit Feuer nach draußen. Ich begrüße die Flammen, denn ich kenne ihren Sponsor.
      
    Die ersten Arbeiter und Funktionäre mit verbrann ter Haut werden uns von den bereits vor Ort agierenden Feuerwehrmenschen und Rettungsassi stenten vor die Füße gelegt. Sie atmen ihre vergiftete Luft.
    Die Luft, die sie in Auftrag gegeben und entwickelt haben.
     
    Ich behandele Arbeiter. Mit Vorliebe.
    In sie kann ich mich besser hineinversetzen. In ihren Schmerz, den heutigen und den sonstigen. Ich lindere ihre Schmerzen mit großen Dosen Morphium. Bin dank bar für die Ruhe, die sich nach solchen Injektionen auf ihre Gesichter legt.
      
    Bei diesen Funktionären verfahre ich ein wenig anders. Sie liegen verbrannt und vergiftet vor mir, ihre Haut hängt in Fetzen von ihren fetten Leibern herunter und sie winseln um Schmerzlinderung.
    Ich verstärke ihren Schmerz, wenn sie außer Lebensgefahr sind, soweit es mir meine medizinischen Fähigkeiten und Möglichkeiten erlauben.
    Es gibt spezifische Medikamente, die wir an Bord unseres Rettungswagens führen, die hervorragend dazu geeignet sind, dass jemandem seine körperlichen Schmerzen noch deutlicher werden, als sie es ohnehin schon sind.
    Schmerzverstärkermedikamente sind schon eine gute Sache.
    Fühlt das Elend, das ihr selbst in die Wege geleitet habt! Ich präsentiere euch voller Stolz: Schmerz!  
    In einer noch nie dagewesenen, bru talen Form und in zahllosen Farben. Seht eure Arbeiter und sonstige Opfer, die ihr macht. Erkennt die Natur, die ihr vertrieben und vergiftet habt. Sie schlägt durch einen Gesandten zurück.
    Fühlt und schaut und erkennt in den Augen der Opfer den Schmerz, der euch gebührt.
     
    Ich verbinde Arbeiterwunden. Ich rotiere, helfe. Die Luft macht mich high. Immer noch grüne Wolken.
    Ein kaputter Horizont.
    Er hat es tatsächlich geschafft.
     
    Vor zwei Wochen bekannte sich der Attentäter zu dieser Tat. Ein zufälliges Bekennergespräch mit ei nem guten Freund. In seiner Wohnung. Bei gepfleg ten Rauschmitteln wie Bier und THC . Er ist ein Terrorist, ich bin nichts.
     
    Von seiner Wand starrt Che Guevara ins Leere.
    Gegen Imperialismus. Starrt er.
    Wie überall, denke ich, cool, sage ich. Aber er ist nicht wie alle. Er ist mein Freund und ich achte seine Werte, die ich teilweise auch selbst vertrete. Nur ist er der Terrorist und ich bin der Pisser mit Sozialberuf.
    Revolutionsunfähig.
     
    Später ist es echt cool, denn in diesem Ambiente breit zu werden, ist ein durchaus vertretbares Phäno men. Ich war hier schon öfter breit. Immer wieder war es ein wahrhafter Genuss.
    Während ich mich langsam an ihm und an umherstehenden Getränken berausche, revolutioniert mein Freund alles, was systematisiert ist. Wir sind die High Society. Ich trinke mit ihm und Bier rinnt unsere diskussionsfreudigen Kehlen hinunter. Betäubt unseren Intel lekt, ohne ihn wirklich einzuschränken.  
    Wir zerreden die Demokratie und lachen sie aus.
     
    Dann fängt er von dieser Chemiefabrik an. Und von seinem Plan, diese zu zerbomben. Sie sei ein Signum für die Unvernunft des Menschen und für seinen Mordwillen gegen die Natur. Industriepalast sprengen.
    Weg damit. Weg.
     
    Da ist der Hass in seinen Augen, dieser Hass macht ihn zu einem liebenswürdigen Menschen.
    Absolut.
    Jede meiner Emotionen und jeder meiner Gedanken ist in diesen Sekunden bei ihm.
     
    Er hatte bereits Einzeltätereinzelheiten für diese Tat auf seinem Tisch liegen. Hatte einen Rohbauplan der Chemiefabrik. Oben stand in fetten Buch staben in seiner Handschrift:  
    Luftschacht = Bomben schacht.
    Das fand ich amüsant. Er nicht. Damals konnte er auch bereits die ersten selbstgebastelten Bomben präsentieren und ich bemerkte, dass ihn niemand mehr aufhalten kann. Geplant sei, getarnt als Handwerker Bomben zu deponieren. Der Termin ist gemacht und in der betreffenden Firma ist er bereits beschäftigt. Auch, wenn er eventuell nicht rauskommt, sei diese Aktion im Moment das Wichtigste für ihn und seine politisch-emotionale Seele.
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