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Ich habe die Unschuld kotzen sehen

Titel: Ich habe die Unschuld kotzen sehen
Autoren: Dirk Bernemann
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ist voll und stickig.
    Stehe plötzlich an der Bar und Gott bestellt durch meinen Mund vier Gin Tonic. Die Thekentussi schaut mich ein wenig unglaubwürdig, geringschätzig und herab lassend an, und zur Erheiterung meines Geistes stelle ich mir vor, wie ich sie mit der Straßenbahn überfahre.  
    Sie ist zu Fuß auf den Gleisen unterwegs und kann da irgendwie nicht runter und rennt sich vor meinem Zug die Lunge aus dem Arsch. Irgendwann kriege ich sie und höre nur noch ein sanftes Knistern und danach ein Schleifgeräusch. Zunächst Fleisch auf Stahl, dann Knochen auf Stahl und dann nix mehr.  
    Gott in mir (Wie ist er überhaupt hier rein gekommen?) scheinen diese Gedanken nicht zu gefallen, er segnet mich kurz darauf mit Herzstechen und Kopfschmerzen, die aber nach den ersten beiden Drinks im Sturzflug nicht mehr relevant sind.  
     
    Ich setze mich auf einen Platz in der Ecke und genieße die verbleibenden alkoholischen Getränke. Genieße, wie ich langsam breit werde und sich mei ne Gedanken überschlagen.
    Plötzlich mischt sich Gott in mein Gehirnstimmengewirr ein und verlangt von mir, in diesem Laden eine Schlägerei anzuzetteln.
    Da bin ich nun mal überhaupt kein Typ für, aber ich bin breit und dank Gott aggressiver Stimmung.
    Er versteht es, mir revolutionäre Gedanken einzuhauchen.
    Nun ja, meistens fängt so was doch an ‘ner Bar an. Ich also hin, weitere Getränke bestellt.
    Zwei Cocktails mit blöden Schirmen und Glitzergammel – einer rot, der andere blau. Und drei Basisbiere und das alles für meinen Körper. Die Tussi hinter der Theke überlegt kurz und denkt wohl, sie kann mit mir einen guten Deal machen. Besoffenes Publikum ist immer das dankbarste.
    Sie stellt mir die Gläser hin und lächelt süffisant. Will natürlich sofort die Kohle sehen. Statt dieser bekommt sie erst mal ‘ne Cocktaildusche. Ich schütte ihr den blauen Cocktail aufs TShirt. Die Tussi brüllt sofort los.
    Zwei Kerle stehen unmittelbar auf. Der eine ist wohl mit der Thekenschlampe liiert. Der andere sieht aus, als könne er nicht sprechen, weil er keinen Mund hat. Vielleicht sieht das auch nur so aus, weil ich total breit bin.
    Auf jeden Fall nennt mich der, der sprechen kann, ein besoffenes Stück Scheiße. Ich muss lachen, weiß selbst nicht warum. Der Typ ohne Mund steht plötzlich hinter mir und hält meine Arme fest. Ich lache weiter, weil diese beiden Typen, diese ganze Szenerie extrem vom Klischee beseelt sind.
    Das reinste Filmspektakel.
    Die Schläge, die ich vom Partner der Thekenfrau in der Magengegend spüre sind dann nicht mehr wie im Film, sondern machen sehr reale Schmerzen. Trotzdem lache ich weiter, was den Typen, der da auf mich einprügelt, ziemlich wild zu machen scheint. Ich fühle, wie mein Gesicht an der Wange aufplatzt und warmes Blut in meinen Mund läuft.
    Um den mundlosen Mann hinter mir, den starken Mann vor mir und mich in der Mitte hat sich ein Kreis von Menschen gebildet, wie gestern um die verstreuten Leichenteile. Ich werde verprügelt und lache zwischen den Schlägen, die mich treffen.  
    Dann sagt Gott, ich soll ohnmächtig werden, und ich sage: «Gut.» und verliere das Bewusstsein.
    Lachend.
     
    Ich werde schmerzfrei wach und liege in einem fremden Raum. Das erkenne ich sofort, denn bei mir zu Hause gibt es einen typischen Ich-Geruch, den nie mand kopieren kann. Geht einfach nicht.
    Zunächst glaube ich, ich bin tot, erinnere mich an Gott und seine schöne Stimme. Bestimmt bin ich im Himmel. Ganz bestimmt, denn neben mir liegt ein Engel.
    Eine nackte blonde Frau. Ohne Flügel. Keine Ahnung, wie ich hierhin gekommen bin. Aber es sieht hier gut aus und es riecht erregend.
      
    Als ich mir die Frau noch mal genauer ansehe, speziell ihren Mund und ihr Bein, bemerke ich, dass sie der Leiche, die ich vorgestern mittels Zug in ihre Einzelteile zerlegte, total ähnlich sieht. Sie macht die Augen auf, sieht, dass ich wach bin, und küsst mich auf meine Unterlippe.
    Ich frage mich nicht warum, weil ich das gut finde ...
     
    Später frühstücken wir und ich nenne sie Marion, weil sie so heißt. Aber ich weiß nicht, warum ich das weiß.  
    Sie erzählt noch ein bisschen, wie sie mich auf der Straße fand und einfach mit nach Hause nahm.
    Plötzlich führe ich eine Beziehung. Ein mystischer Augenblick, der sich in mein Bewusstsein schleicht.
     
    Mich durchdringt.
     
    Wahrscheinlich war ich zur korrekten Zeit am richtigen Ort ...  
    Genauso wie Marion.
    Und wie Linda, Lydia oder Laura
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