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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl
Autoren: Cecelia Ahern
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praktisch sein, wenn man seine Bettgenossen überprüfen möchte«, scherzt er, während er spürt, wie sich Schweißtropfen auf seiner Oberlippe sammeln. Er betrachtet seinen Finger.
    Schweigend führt sie den Test durch.
    Justin liegt ausgestreckt auf einer gepolsterten Bank und streckt seinen linken Arm aus. Sarah schlingt eine Blutdruckmanschette um seinen Oberarm, um seine Venen besser hervortreten zu lassen, und desinfiziert seine Armbeuge.
    Schau nicht auf die Nadel, schau nicht auf die Nadel.
    Er schaut auf die Nadel, und schon beginnt der Boden unter ihm zu schwanken. Seine Kehle schnürt sich zu.
    »Wird es wehtun?«, stößt er hervor und schluckt schwer. Sein Hemd klebt verschwitzt an seinem Rücken.
    »Bloß ein kleiner Piekser«, antwortet sie lächelnd und kommt mit einer Kanüle näher.
    Ihr süßes Parfüm steigt ihm in die Nase und lenkt ihn einen Moment ab. Als sie sich über ihn beugt, kann er in den V-Ausschnitt ihres Pullis sehen. Ein schwarzer Spitzen- BH .
    »Ich möchte, dass Sie das jetzt in die Hand nehmen und immer wieder draufdrücken.«
    »Was?« Er lacht nervös.
    »Den Ball.« Sie lächelt.
    »Oh.« Gehorsam nimmt er das kleine weiche Bällchen in die Hand. »Was bewirkt das denn?«, erkundigt er sich zittrig.
    »Es beschleunigt die Prozedur.«
    Sofort fängt Justin an, mit Höchstgeschwindigkeit zu pumpen.
    Sarah lacht. »Noch nicht! Und auch nicht ganz so heftig, Justin!«
    Der Schweiß läuft ihm über den Rücken. Seine Haare kleben auf seiner verschwitzten Stirn.
Du hättest doch zum Friseur gehen sollen, Justin. Was war das bloß für eine saublöde Idee …
»Au!«
    »War gar nicht schlimm, oder?«, sagt sie sanft, als würde sie mit einem Kind sprechen.
    Justins Herz schlägt donnerlaut in seinen Ohren. Er drückt im gleichen Rhythmus auf den Ball und stellt sich vor, wie das Herz sein Blut durch den Körper pumpt, wie das Blut durch die Adern fließt. Er sieht, wie es die Nadel erreicht, durch das Röhrchen rinnt, und wartet darauf, dass er sich flau fühlt. Aber weil das flaue Gefühl ausbleibt, beobachtet er, wie das Blut durch das Röhrchen in den Sammelbehälter fließt.
    »Kriege ich nachher ein KitKat?«
    Sie lacht. »Aber natürlich!«
    »Und gehen wir dann noch was trinken oder wollen Sie mich bloß melken?«
    »Was trinken gehen ist wunderbar, aber ich muss Sie warnen, sich heute lieber nicht anzustrengen. Ihr Körper muss sich erholen.«
    Wieder erhascht er einen Blick auf ihren Spitzen- BH .
Ja, klar.
    Fünfzehn Minuten später betrachtet Justin stolz seinen halben Liter Blut. Er möchte eigentlich nicht, dass irgendein Fremder es bekommt. Am liebsten möchte er die kostbare Flüssigkeit persönlich ins Krankenhaus bringen, sich auf den Stationen umschauen und sie jemandem schenken, der ihm am Herzen liegt, jemand Besonderem. Denn dieses Blut ist für ihn seit langer Zeit das Erste, was von Herzen gekommen ist.

Heute

Fünf
    Ganz langsam öffne ich die Augen.
    Weißes Licht blendet mich. Langsam erkenne ich die Gegenstände um mich herum, und das weiße Licht verblasst. Jetzt ist es orangerosa. Ich bin in einem Krankenhaus. Ein Fernseher hängt an der Wand, weit oben. Der Bildschirm ist ganz grün. Ich schaue genauer hin. Da sind Pferde. Sie laufen. Bestimmt ist Dad auch hier im Zimmer. Ich senke den Blick, und da ist er auch schon, auf dem Sessel, mit dem Rücken zu mir. Seine Faust klopft auf die Armlehne, er hibbelt auf und ab, und sein Kopf mit der Tweedkappe erscheint im gleichen Rhythmus über der Rückenlehne und verschwindet wieder. Unter ihm knarzen die Sprungfedern.
    Die Pferde rennen ohne Ton. Auch mein Vater gibt keinen Ton von sich. Wie einen Stummfilm, der vor meinen Augen läuft, beobachte ich ihn und frage mich, ob es an meinen Ohren liegt, dass ich ihn nicht hören kann. Plötzlich springt er aus dem Sessel hoch, schneller, als ich ihn seit langer Zeit erlebt habe, und schwenkt die Faust vor dem Fernseher, um sein Pferd anzufeuern.
    Dann wird der Bildschirm schwarz. Die Fäuste meines Vaters öffnen sich, er streckt die Hände in die Luft, blickt zur Decke und schickt ein Stoßgebet zum Himmel. Hektisch steckt er die Hände in die Taschen seiner braunen Hose, wühlt darin herum und stülpt sie nach außen. Jetzt klopft er auf seine Jacke und tastet dort nach Geld. Untersucht die kleine Tasche seines braunen Pullovers. Grummelt. Also sind es nicht meine Ohren.
    Schließlich dreht er sich um, weil er seinen Mantel überprüfen will, der neben mir
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