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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl
Autoren: Cecelia Ahern
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schnell. Immer haben wir es eilig. Vielleicht bin auch ich nur in Hetze, vielleicht ist es noch nicht Zeit für mich zu gehen.
    Ich spüre die raue Haut seiner alten Hände, die meine drücken, so dringlich und vertraut, dass ich mich zwinge, die Augen zu öffnen. Licht überflutet sie, und ich sehe sein Gesicht. Nie wieder möchte ich es so sehen müssen. Er klammert sich an sein Baby, ich habe meines verloren. Ich kann nicht zulassen, dass er seines ebenfalls verliert. Noch während ich diese Entscheidung treffe, beginne ich bereits zu trauern. Jetzt bin ich gelandet. Und mein Herz schlägt noch immer.
    Unbeirrt pumpt es weiter, obwohl es gebrochen ist.

Einen Monat früher

Eins
    »Eine Bluttransfusion«, verkündet Dr. Fields vom Podium des Vorlesungssaals im Geisteswissenschaftlichen Institut des Trinity College, »eine Bluttransfusion ist der Prozess, bei dem Blut oder Blutprodukte eines Menschen in den Kreislauf eines anderen übertragen werden. Mit einer Bluttransfusion kann ein massiver Blutverlust nach einem Unfall, einer Operation oder einem Schock ausgeglichen werden, mit einer Bluttransfusion kann einem Menschen geholfen werden, wenn die Produktion der roten Blutkörperchen zusammenbricht. Hier die Fakten. Jede Woche werden in Irland dreitausend Blutspenden benötigt. Nur drei Prozent der irischen Bevölkerung spenden Blut, das für eine Bevölkerung von fast vier Millionen ausreichen muss. Einer von vier Menschen braucht irgendwann im Leben eine Transfusion. Sehen Sie sich bitte jetzt mal im Raum um.«
    Fünfhundert Köpfe drehen sich nach links, nach rechts, nach vorn, nach hinten. Unbehagliches Lachen durchbricht die Stille.
    Dr. Fields’ Stimme übertönt die Unruhe. »Mindestens hundertfünfzig Leute in diesem Raum brauchen irgendwann in ihrem Leben eine Bluttransfusion.«
    Sofort sind alle wieder still. Dann hebt sich eine Hand.
    »Ja?«
    »Wie viel Blut braucht ein Patient?«
    »Wie lang ist ein Stück Schnur, Blödmann?«, spottet jemand von weiter hinten, und eine Papierkugel fliegt dem jungen Fragesteller an den Kopf.
    »Eine sehr gute Frage.« Stirnrunzelnd späht Dr. Fields in die Dunkelheit, aber sie kann die Studenten im Gegenlicht des Projektors nicht sehen. »Wer hat sie gestellt?«
    »Mr Dover«, meldet sich eine Stimme von der anderen Seite des Saals.
    »Ich bin sicher, dass Mr Dover für sich selbst sprechen kann. Wie heißen Sie mit Vornamen?«
    »Ben«, antwortet der Fragesteller in niedergeschlagenem Ton.
    Gelächter brandet auf. Dr. Fields seufzt.
    »Danke für die Frage, Ben. Den anderen möchte ich sagen, dass es keine dummen Fragen gibt. Darum geht es in der Blutspendewoche. Es geht darum, alle Fragen zu stellen, die Ihnen einfallen, und alles über die Bluttransfusion zu erfahren, was Sie wissen sollten, ehe Sie sich entscheiden können, heute, morgen oder irgendwann im Lauf dieser Woche auf dem Campus und hoffentlich in Zukunft regelmäßig Blut zu spenden.«
    In diesem Moment öffnet sich die Saaltür, Licht strömt in den dunklen Raum: Auftritt Justin Hitchcock, das Gesicht im weißen Licht des Projektors von Konzentration durchfurcht, unter dem linken Arm einen Stapel Aktenordner, die von Sekunde zu Sekunde tiefer rutschen. In der rechten Hand trägt er eine vollgestopfte Mappe und einen Pappbecher mit Kaffee, was ihm einen ziemlich komplizierten Balanceakt abverlangt. Jetzt schießt ein Knie vor, um die Ordner wieder an Ort und Stelle zu bugsieren, danach senkt sich der Fuß des rettenden Beins langsam wieder zu Boden. Es sieht aus wie eine Tai-Chi-Übung, und als das Gleichgewicht einigermaßen wiederhergestellt ist, breitet sich ein erleichtertes Lächeln über das Gesicht. Im Saal wird gekichert, was die Balance erneut in Frage stellt.
    Reiß den Blick vom Kaffee los, Justin, und schau dich erst mal um. Verschaff dir einen Überblick: Frau auf dem Podium, fünfhundert junge Leute im Saal. Die dich allesamt anstarren. Sag was. Was Intelligentes.
    »Ich bin verwirrt«, verkündet er aufs Geratewohl in die Dunkelheit hinein, hinter der er irgendeine Art intelligenten Lebens ahnt. Wieder ein paar Kicherer, und er spürt die Blicke auf sich ruhen, während er sich zur Tür zurückbewegt, um die Raumnummer zu prüfen.
    Verschütte jetzt bloß nicht deinen Kaffee. Verschütte jetzt bloß nicht deinen blöden Kaffee!
    Es gelingt ihm, unfallfrei die Tür zu öffnen. Wieder strömt das Licht vom Korridor herein, und die Studenten, auf die es fällt, halten sich schützend
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