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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl
Autoren: Cecelia Ahern
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Ferien immer mit Zeichensprache verständigen muss.« Er legt die Kappe aufs Bett und fingert nervös an ihr herum.
    »Dad, du warst in deinem ganzen Leben nie im Ausland«, erinnere ich ihn mit einem Lächeln.
    »Aber ich hab meine Kumpels im Monday Club darüber reden hören. Letzte Woche war Frank in, wie hieß es gleich noch mal?« Er schließt die Augen und denkt angestrengt nach. »Das Land, wo die ganze Schokolade herkommt?«
    »Schweiz.«
    »Nein.«
    »Belgien.«
    »Nein!«, ruft er frustriert. »Die kleinen runden Dinger mit dem Knusperzeug drin. Man kriegt sie auch in Weiß, aber ich mag die dunklen lieber.«
    »Malteser?«, frage ich und muss lachen, aber es tut weh, also höre ich schnell wieder auf.
    »Genau.«
    »Du meinst Malta.«
    »Stimmt! Er war in Malta.« Er schweigt einen Moment. »Machen die da Malteser?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht. Und was war mit Frank in Malta?«
    Wieder kneift er die Augen zusammen und denkt nach. »Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte.«
    Schweigen. Er hasst es, wenn er sich an etwas nicht mehr erinnern kann. Früher konnte er sich immer an alles erinnern.
    »Hast du mit deinen Pferden was gewonnen?«, frage ich schnell.
    »Ein paar Pfund. Genug für ein paar Runden heut Abend im Monday Club.«
    »Aber heute ist Dienstag.«
    »Der Club findet wegen dem Feiertag am Dienstag statt«, erklärt er und wippt zur anderen Seite des Betts, wo er sich niederlässt.
    Ich kann nicht lachen. Es tut alles so weh, und ich glaube, mein Kind hat auch einen Teil meines Humors mitgenommen.
    »Es macht dir doch nichts, wenn ich hingehe, oder, Joyce? Wenn du möchtest, bleib ich nämlich hier, das macht mir nichts, es ist nicht so wichtig für mich.«
    »Natürlich ist es wichtig. Seit zwanzig Jahren hast du keinen Montagabend verpasst.«
    »Abgesehen von den Feiertagen!« Er hebt einen krummen Finger, und seine Augen funkeln.
    »Abgesehen von den Feiertagen«, wiederhole ich lächelnd und ergreife den Finger.
    »Na ja«, meint er und nimmt meine Hand. »Du bist aber wichtiger als ein paar Bier und ein bisschen Singen.«
    »Was würde ich ohne dich machen?« Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen.
    »Es wird alles gut, Liebes. Außerdem …«, fährt er fort und blickt mich dabei forschend an, »außerdem hast du Conor.«
    Ich lasse seine Hand los und sehe weg. Was, wenn ich Conor nicht mehr will?
    »Ich hab ihn gestern Abend auf dem Handtelefon zu erreichen versucht, aber er ist nicht drangegangen. Vielleicht hab ich ja die Nummer falsch eingetippt«, fügt er hastig hinzu. »Auf den Handtelefonen sind es immer so viel mehr Zahlen.«
    »Handys heißen die Dinger, Dad«, verbessere ich ihn geistesabwesend.
    »Ach ja klar, auf dem Handy. Er ruft immer an, wenn du grade schläfst. Übrigens will er heimkommen, sobald er einen Flug kriegt. Er macht sich große Sorgen.«
    »Das ist nett von ihm. Dann können wir ja die nächsten zehn Jahre unserer Ehe versuchen, noch ein Baby zu produzieren.« Zurück ans Werk. Eine nette kleine Abwechslung, die unserer Beziehung eine Art von Bedeutung verleiht.
    »Ach, Liebes …«
    Der erste Tag vom Rest meines Lebens, und ich bin nicht sicher, ob ich hier sein möchte. Ich weiß, ich sollte irgendjemandem dafür dankbar sein, aber ich fühle mich überhaupt nicht danach. Stattdessen wünsche ich mir, sie hätten sich die Mühe nicht gemacht.

Sechs
    Ich sehe zu, wie die Kinder auf dem Krankenhausfußboden miteinander spielen, kleine Finger und Zehen, runde Wangen und volle Lippen – die Züge ihrer Eltern deutlich in ihren Gesichtchen zu erkennen. Mein Herz wird schwer, mein Magen zieht sich zusammen. Schon wieder stehen Tränen in meinen Augen, und ich muss wegsehen.
    »Kann ich mir eine Traube nehmen?«, zwitschert Dad. Er ist wie ein kleiner Kanarienvogel, der neben mir in seinem Käfig herumhüpft.
    »Natürlich, Dad. Überhaupt solltest du allmählich nach Hause gehen und was essen. Du brauchst Energie.«
    Er nimmt sich eine Banane. »Kalium«, verkündet er lächelnd und wedelt mit den Armen. »Wenn ich die esse, kann ich nach Hause joggen.«
    »Wie bist du eigentlich hergekommen?« Plötzlich fällt mir ein, dass er seit Jahren nicht mehr in der Stadt gewesen ist. Irgendwann ist ihm hier alles zu schnell geworden, neue Gebäude schossen wie Pilze aus dem Boden, Einbahnstraßen führten plötzlich in die andere Richtung. Schweren Herzens hat er auch sein Auto verkauft, weil er so schlecht sah, dass er für sich und andere immer mehr zu
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