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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl
Autoren: Cecelia Ahern
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können, bis die Platzanweiser ihnen Bescheid geben.
    Beeil dich, Justin, flehe ich stumm, und vor lauter Nervosität tanzen meine Knie auf und ab.
     
    Mit Riesenschritten eilt Justin aus dem Hotel und die Kildare Street hinauf. Zwar hat er gerade erst geduscht, aber seine Haut fühlt sich schon wieder feucht an, sein Hemd klebt am Rücken, auf seiner Stirn glänzt der Schweiß. Oben an der Straße bleibt er stehen. Das Shelbourne Hotel ist direkt neben ihm, das Gaiety Theatre ein Stück weiter rechts. Er schließt die Augen und holt tief Luft. Atmet die frische Dubliner Oktoberluft ein.
    Wohin soll ich gehen? Wohin soll ich gehen?
     
    Die Vorstellung hat begonnen, aber ich kann den Blick nicht von der Tür zu meiner Rechten losreißen. Neben mir ist ein leerer Platz, und wenn ich hinschaue, bekomme ich einen dicken Kloß im Hals. Während die Frau auf der Bühne eine gefühlvolle Arie schmettert, drehe ich – sehr zum Ärger meiner Nachbarn – meinen Kopf immer wieder zur Tür. Trotz der Ankündigung, dass niemand eingelassen wird, tauchen immer wieder Nachzügler auf, die sich möglichst rasch und unauffällig zu ihren Plätzen begeben. Wenn Justin jetzt nicht kommt, kann er sich vielleicht erst nach der Pause hinsetzen. Ich habe ein bisschen Mitleid mit der Sängerin, weil sie sich solche Mühe gibt und mich die Tür und der Platzanweiser trotzdem mehr interessieren.
    Noch einmal drehe ich mich um, und mein Herz setzt einen Schlag aus: Neben mir öffnet sich die Tür.
     
    Justin macht die Tür auf, betritt den Raum, und sofort drehen sich alle Köpfe nach ihm um. Während er sich hektisch nach Joyce umschaut, klopft ihm das Herz bis zum Hals, seine Hände sind feucht und zittern.
    Der Oberkellner tritt auf ihn zu. »Herzlich willkommen, Sir. Was kann ich für Sie tun?«
    »Guten Abend, ich habe einen Tisch für zwei Personen reserviert, auf den Namen Hitchcock.« Nervös sieht er sich um, zieht ein Taschentuch aus der Tasche und tupft sich damit die Stirn ab. »Ist sie schon hier?«
    »Nein, Sir, Sie sind der Erste. Soll ich Ihnen gleich Ihren Tisch zeigen oder möchten Sie vorher noch etwas trinken?«
    »Den Tisch bitte.« Wenn sie kommt und ihn nicht am Tisch sitzen sieht – das könnte er sich nie verzeihen.
    Er wird an einen Zweiertisch im Zentrum des Raums geführt.
    Kaum hat er sich auf den dargebotenen Stuhl gesetzt, umschwirren auch schon mehrere Kellner den Tisch, gießen Wasser ein, legen ihm eine Serviette auf den Schoß, bringen einen Korb mit Brötchen.
    »Sir, möchten Sie gleich die Speisekarte oder lieber auf Ihre Begleitung warten?«
    »Ich warte lieber, danke.« Keine Sekunde lässt er die Tür aus dem Auge, nutzt das erzwungene Warten aber, um sich ein wenig zu beruhigen.
     
    Inzwischen ist schon über eine Stunde vergangen. Ein paar Mal sind weitere Nachzügler hereingekommen und zu ihren Plätzen geführt worden. Aber kein Justin. Leer und kalt steht sein Sessel neben mir. Die Frau auf dem übernächsten Platz wirft gelegentlich einen Blick darauf, dann auf mich, wie ich mich zwanghaft und gierig zur Tür verdrehe, und lächelt mitfühlend. Mir kommen die Tränen, ich fühle mich schrecklich einsam. In einem Raum voller Menschen, voller Musik, voller Gesang bin ich ganz allein. Schließlich beginnt die Pause, der Vorhang senkt sich, die Lichter gehen an, alle strecken sich, stehen auf und schlendern hinaus, zur Bar, nach draußen auf eine Zigarette oder um sich die Beine zu vertreten. Aber ich bleibe sitzen und warte.
    Je einsamer ich mich fühle, desto mehr Hoffnung produziert mein Herz. Er kann immer noch kommen! Bestimmt war ihm das Gleiche wichtig wie mir und er hat die gleiche Entscheidung getroffen. Nicht das Essen mit einer flüchtigen Bekanntschaft. Sondern das Rendezvous mit der Person, der er das Leben gerettet hat. Mit der Person, die so reagiert hat, wie er es sich angeblich wünscht. Die sich genau auf die Art und Weise bei ihm bedankt hat, wie er es wollte. Aber vielleicht war das nicht genug.
     
    *
    »Möchten Sie jetzt die Speisekarte, Sir?«
    »Hmm.« Er schaut auf seine Armbanduhr. Sie ist schon eine halbe Stunde zu spät, aber er lässt die Hoffnung nicht sinken. »Sie hat sich bloß ein wenig verspätet«, erklärt er.
    »Selbstverständlich, Sir.«
    »Aber ich würde gern einen Blick auf die Weinkarte werfen, bitte.«
    »Selbstverständlich, Sir.«
     
    Der Geliebte der Hauptperson wird ihren Armen entrissen, und sie fleht, singt, weint, jammert und klagt, bis
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