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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl
Autoren: Cecelia Ahern
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sie herausfanden, dass es mir gehört hat, haben sie Angst bekommen, es könnte ein schlechtes Omen für sie und ihr ungeborenes Kind sein. Oder konkreter, dass die Treppe, auf der ich gestürzt bin, für Linda in der Schwangerschaft zu gefährlich sein könnte. Mir fällt auf, dass niemand wirklich die Verantwortung für das übernimmt, was er tut. Es lag nicht an der Treppe, es lag an mir. Ich war in Hetze. Es war meine Schuld. So einfach ist das. Mir jemals zu verzeihen wird mir schwerfallen, denn ich werde es nie vergessen.
    Vielleicht war ich mein Leben lang in Hetze, habe mich kopfüber in Dinge gestürzt, ohne richtig darüber nachzudenken. Vielleicht bin ich durch die Tage gerannt, ohne die Minuten wahrzunehmen. Nicht dass es unbedingt zu positiveren Resultaten geführt hat, wenn ich mal langsamer gemacht und geplant habe. Auch Mum und Dad haben ihr ganzes Leben alles geplant: Sommerurlaub, ein Kind, Erspartes, Ausgehabende. Alles war genau festgelegt. Mums vorzeitiger Abschied aus dem Leben war das Einzige, mit dem sie nicht gerechnet haben. Eine Abweichung vom Plan, die alles andere aus dem Lot gebracht hat.
    Conor und ich haben ohne viel Nachdenken unsere Beziehung von A bis Z in den Sand gesetzt.
    Jetzt kriegt jeder von uns die Hälfte dessen, was das Haus gebracht hat, und ich muss mich nach etwas Kleinerem, Billigerem umsehen. Keine Ahnung, was
er
vorhat – ein seltsames Gefühl.
    Vor unserem gemeinsamen Haus bleibe ich stehen und starre zu den roten Backsteinen empor, zu der Tür, über deren Farbe wir sehr lange diskutiert haben, genau wie über die Blumen, die im Garten gepflanzt werden sollten. Nun gehört mir das alles nicht mehr, nur noch die Erinnerungen. Erinnerungen sind unverkäuflich. Das Haus, das einmal meine Träume beherbergt hat, ist jetzt für andere Menschen da, wie es auch vor uns der Fall war, und ich bin froh, es loszulassen. Froh, dass es eine andere Zeit war und dass ich neu anfangen kann, wenn auch mit den Narben, die ich davongetragen habe. Aber sie sind nur Erinnerungen an alte, verheilte Wunden.
    Gegen Mitternacht bin ich wieder in Dads Haus, und alle Fenster sind dunkel. Kein Licht, nirgends, was sehr ungewöhnlich ist, denn normalerweise lässt Dad das Verandalicht brennen, vor allem, wenn ich später heimkomme.
    Ich suche in meiner Tasche nach dem Schlüssel und stoße dabei zufällig auf mein Handy. Es leuchtet auf und zeigt mir, dass ich zehn Anrufe in Abwesenheit erhalten habe, acht davon hier aus dem Haus. In der Oper hatte ich das Telefon auf stumm gestellt, und da ich wusste, dass Justin meine Nummer nicht hat, habe ich gar nicht daran gedacht nachzusehen. Mit zitternden Händen fahnde ich weiter nach dem Schlüssel, finde ihn schließlich und versuche ihn ins Schloss zu manövrieren. Mit lautem Geklapper, das in der stillen Straße widerhallt, fällt er mir aus der Hand. Ohne auf mein neues Kleid zu achten, knie ich mich auf den Boden, rutsche auf dem Beton herum und taste in der Dunkelheit nach Metall. Endlich erfühlen es meine Fingerspitzen. Diesmal schaffe ich das Aufschließen und renne durch die Tür. Drinnen mache ich als Erstes das Licht an.
    »Dad?«, rufe ich in den Flur. Mums Foto liegt auf dem Boden unter dem Tisch. Schnell hebe ich es auf und stelle es an seinen Platz zurück. Ich bemühe mich, ruhig zu bleiben, aber mein Herz hat ganz andere Pläne.
    Niemand antwortet.
    Ich eile in die Küche und drücke auf den Lichtschalter. Auf dem Küchentisch steht eine volle Teetasse. Daneben eine Scheibe Toast mit Marmelade, einmal angebissen.
    »Dad?«, rufe ich lauter, renne ins Wohnzimmer und mache auch dort das Licht an.
    Überall auf dem Boden verstreut liegen seine Pillen herum, alle Behälter offen und leer, alle Farben vermischt.
    Jetzt überfällt mich endgültig die Panik, ich laufe zurück in die Küche, durch den Flur, renne nach oben, mache überall Licht und brülle aus vollem Hals.
    » DAD ! DAD ! WO BIST DU ? DAD , ICH BIN’S , JOYCE ! DAD !« Tränen strömen mir über die Wangen, mein Hals ist wie zugeschnürt. Er ist nicht in seinem Schlafzimmer, nicht im Bad, nicht in meinem Zimmer und auch sonst nirgends. Auf dem Treppenabsatz halte ich inne, lausche in die Stille und spitze die Ohren, ob ich ihn vielleicht rufen höre. Aber da ist nur das Pochen meines Herzens in meinen Ohren, in meinem Hals.
    » DAD !«, schreie ich noch einmal. Mein Atem geht stoßweise, der Kloß in meinem Hals raubt mir fast den Atem. Wo soll ich noch suchen? Ich
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