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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl
Autoren: Cecelia Ahern
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Fotos durch. »Du warst nicht dabei, Dad, als das Gruppenfoto gemacht wurde. Hier ist es!« Sie eilt zu ihrem Vater, um es ihm unter die Nase zu halten. »Das hier sind sie. Die Frau und ihr Vater, ganz hinten.«
    Schweigen.
    »Dad?«
    Schweigen.
    »Dad, alles okay bei dir?«
    »Justin?« Sogar Jennifers Stimme klingt besorgt. »Er ist ganz bleich geworden, hol ihm ein Glas Wasser, Laurence, schnell!«
    Laurence rennt ein zweites Mal in die Küche.
    »Dad!« Bea schnalzt mit den Fingern direkt vor seinen Augen. »Dad, bist du da?«
    »Sie ist es«, flüstert er tonlos.
    »Wer?«, will Jennifer wissen.
    »Die Frau, deren Leben er gerettet hat«, ruft Bea und hüpft aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.
    »
Du
hast einer Frau das Leben gerettet?«, fragt Jennifer schockiert.
»Du?«
    »Es ist Joyce«, flüstert er.
    Bea schnappt hörbar nach Luft. »Die Frau, die du versetzt hast?«
    »Du hast einer Frau das Leben gerettet und sie dann versetzt?«, fragt Jennifer ungläubig und lacht.
    »Bea, wo ist dein Telefon?«
    »Warum?«
    »Sie hat dich angerufen, erinnerst du dich? Ihre Nummer war in deinem Telefon.«
    »Ach Dad, das ist eine Ewigkeit her. Bloß die letzten zehn Anrufe bleiben im Speicher. Seither sind Wochen vergangen!«
    »Verdammt!«
    »Aber ich hab Doris die Nummer gegeben, erinnerst du dich? Sie hat sie aufgeschrieben. Du hast die Nummer aus deiner Wohnung angerufen!«
    Und den Zettel in den Müllcontainer geworfen, du Idiot! Der Container! Er ist noch da!
    »Hier!« Keuchend steht Laurence mit einem Glas Wasser vor ihm.
    »Laurence«, ruft Justin, nimmt sein Gesicht in beide Hände und küsst ihn auf die Stirn. »Ich gebe euch meinen Segen. Jennifer …« Er macht mit ihr dasselbe und küsst sie auf die Lippen. »Viel Glück.«
    Unter Beas Anfeuerungsrufen rennt er aus der Wohnung, während Jennifer sich empört über die Lippen wischt und Laurence sich das verschüttete Wasser aus den Klamotten klopft.
     
    Als Justin von der U-Bahn-Station zu seinem Haus spurtet, rauscht der Regen herab, als würde jemand die Wolken ausdrücken. Aber ihm ist das vollkommen gleichgültig, er blickt zum Himmel empor und lacht, genießt den Regen auf dem Gesicht und kann es immer noch nicht recht glauben, dass die ganze Zeit Joyce diejenige war, die er gesucht hat. Obwohl er es eigentlich hätte wissen müssen. Jetzt ergibt plötzlich alles einen Sinn – dass sie ihn gefragt hat, ob er ganz sicher ist und sich wirklich mit ihr zum Essen verabreden will, dass ihre Freundin bei seinem Vortrag war, einfach alles!
    Als er in die Auffahrt einbiegt, sieht er, dass der Container inzwischen bis obenhin mit allem möglichen Kram gefüllt ist. Unbeirrt springt er hinein und fängt an zu wühlen.
    Besorgt sehen Doris und Al ihm vom Fenster aus zu und machen eine Pause beim Kofferpacken.
    »Verdammt, ich hab wirklich gedacht, er wäre wieder normal«, meint Al. »Sollen wir lieber noch ein paar Tage hierbleiben?«
    »Ich weiß auch nicht«, erwidert sie. »Was macht er denn da, um Himmels willen? Es ist zehn Uhr abends – wahrscheinlich alarmieren die Nachbarn gleich die Polizei.«
    Justins graues T-Shirt ist durchweicht, seine Haare klatschnass, Wasser tropft ihm aus der Nase, seine Hose klebt an den Beinen. Doris und Al sehen zu, wie er sich selbst anfeuert, während er den Inhalt des Containers auf dem Boden verstreut.

Zweiundvierzig
    Ich liege im Bett, starre an die Decke und versuche, aus meinem Leben schlau zu werden. Dad ist noch zu verschiedenen Untersuchungen im Krankenhaus, soll aber morgen rauskommen. Das Alleinsein zwingt mich, über mein Leben nachzudenken, und ich habe mich durch Verzweiflung, Schuld, Traurigkeit, Wut, Einsamkeit, Depression und Zynismus gearbeitet und schließlich den Weg zur Hoffnung gefunden. Wie ein Süchtiger mit Entzugserscheinungen bin ich durchs Haus gerannt, während die Emotionen mir aus allen Poren quollen. Ich habe laut auf mich selbst eingeredet, ich habe geschrien, gebrüllt, geweint und getrauert.
    Jetzt ist es elf Uhr, spätabends, dunkel, windig und kalt draußen, denn der Winter erkämpft sich allmählich die Oberhand. Da klingelt das Telefon. Wahrscheinlich Dad, denke ich und eile nach unten, schnappe mir den Telefonhörer und setze mich auf die unterste Treppenstufe.
    »Hallo?«
    »Du warst es, die ganze Zeit schon!«
    Ich erstarre. Mein Herz hämmert. Ich halte den Hörer ein Stück von meinem Ohr weg und atme erst mal tief durch.
    »Justin?«
    »Du warst es, von Anfang an,
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