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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl
Autoren: Cecelia Ahern
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ruft er seinem Nachbarn zu, der gerade an uns vorübergeht.
    »Ja, grässliches Wetter, Henry«, antwortet Graham und steckt die Hände tief in die Taschen.
    »Jedenfalls finde ich, du solltest die Wohnung nicht nehmen, Gracie. Bleib noch ein bisschen hier, bis was Gescheiteres für dich auftaucht. Es gibt ja keinen Grund, gleich das Erstbeste zu nehmen.«
    »Dad, wir haben uns zehn Wohnungen angeschaut, und dir hat keine davon gefallen.«
    »Muss ich da drin leben oder du?«, fragt er. Rauf und runter. Auf und ab.
    »Ich natürlich.«
    »Tja, was kümmert es dich dann, was ich sage?«
    »Mir ist deine Meinung wichtig.«
    »Jedenfalls wenn du … Hallo, Kathleen!«
    »Du kannst mich nicht für immer bei dir behalten, weißt du.«
    »Für immer ist längst vorbei. Du rührst dich ja nicht vom Fleck. Bald gehst du in die Geschichte ein als das Stonehenge der erwachsenen Kinder, die immer noch zu Hause wohnen.«
    »Kann ich heute mit zum Monday Club?«
    »Schon wieder?«
    »Ich muss die Schachpartie zu Ende spielen, die ich das letzte Mal mit Larry angefangen habe.«
    »Larry stellt seine Bauern doch nur so hin, dass du dich vorbeugen musst und er dir in den Ausschnitt linsen kann. Die Partie wird nie zu Ende sein.«
    »Dad!«
    »Was denn? Na ja, du brauchst wirklich andere Kontakte, du kannst nicht auf Dauer mit Typen wie Larry und mir rumhängen.«
    »Ich hänge aber gern mit euch rum.«
    Wir biegen zu Dads Haus ab und schwanken den Gartenweg entlang zur Tür.
    Als ich sehe, was auf der Treppe liegt, bleibe ich stehen wie angewurzelt.
    Ein kleiner Korb mit Muffins, sorgfältig in Folie verpackt, geschmückt mit einer rosa Schleife. Ich sehe Dad an, der ganz selbstverständlich über den Korb hinwegsteigt und die Haustür aufschließt. Einen Augenblick misstraue ich meiner Wahrnehmung. Habe ich mir den Korb vielleicht nur eingebildet?
    »Dad?« Bestürzt schaue ich mich um, kann aber niemanden entdecken.
    Dad zwinkert mir zu, sieht einen Moment traurig aus und grinst mich dann breit an, ehe er die Tür vor meiner Nase zuschlägt.
    Ich greife nach dem Umschlag, der an der Folie befestigt ist, und hole mit zittrigen Fingern die Karte heraus.

Vielen Dank …
    »Es tut mir leid, Joyce!«, höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir, und mir bleibt vor Schreck fast das Herz stehen.
    Und da steht er am Gartentor, einen riesigen Blumenstrauß in den behandschuhten Händen, auf dem Gesicht den zerknirschtesten Ausdruck, den ich je an einem Menschen gesehen habe. Er ist warm eingemummelt in Wintermantel und Schal, Nasenspitze und Wangen sind rot vor Kälte, aber seine grünen Augen leuchten, trotz des grauen Tags. Er ist ein Traumbild; sein Anblick macht mich sprachlos, seine Gegenwart ist fast mehr, als ich ertragen kann.
    »Justin …«, stammle ich.
    »Meinst du«, beginnt er und macht einen Schritt auf mich zu, »meinst du, du würdest es eventuell übers Herz bringen, einem Vollidioten wie mir zu verzeihen?«
    Er steht vorne im Garten, neben dem Tor.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist einen Monat her. Warum kommt er jetzt?
    »Neulich am Telefon hast du einen schrecklich wunden Punkt getroffen«, fährt er fort und räuspert sich. »Niemand weiß das mit meinem Dad. Oder wusste es. Keine Ahnung, woher du es weißt.«
    »Das hab ich dir doch gesagt.«
    »Aber ich verstehe es nicht.«
    »Ich auch nicht.«
    »Andererseits verstehe ich manchmal die normalsten Dinge nicht, Dinge, die jeden Tag passieren. Beispielsweise, was meine Tochter an ihrem Freund findet. Ich verstehe nicht, wie mein Bruder es geschafft hat, allen Naturgesetzen zu trotzen und sich nicht in einen Kartoffelchip zu verwandeln. Ich weiß auch nicht, wie Doris mit ihren langen Fingernägeln eine Milchtüte aufkriegt, ich verstehe nicht, warum ich nicht schon vor einem Monat deine Tür eingetreten und dir gestanden habe, was ich fühle … Ich verstehe so viele einfache Sachen nicht, warum muss ich mich dann ausgerechnet in dem einen Fall so anstellen?«
    Ich nehme den Anblick seines Gesichts in mich auf, seine Locken, die unter der Wollmütze hervorlugen, sein kleines nervöses Lächeln. Auch er mustert mich, und ich fröstle, aber nicht von der Kälte. Die spüre ich nicht mehr. Um mich herum ist die Welt viel wärmer geworden. Wie schön. Ich danke dem Himmel dort oben über den Wolken.
    Auf einmal runzelt er die Stirn.
    »Was ist?«
    »Nichts. Gerade hast du mich nur so sehr an jemanden erinnert. Aber es ist nicht so wichtig.« Er räuspert
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