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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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    1
    Rom, Italien
Erdenwelt im Jahre 1880
    D
ieux!
Wo zum Teufel ist es nur?«
    Durch einen Hain aus dichtstehenden Olivenbäumen drang der Klang der Frauenstimme an sein Ohr. Ein Hauch des frühen Oktoberwinds wirbelte silbergrüne Blätter an knorrigen Ästen durcheinander, so dass die Frau abwechselnd zu sehen war und wieder aus dem Blickfeld verschwand, während sie in ihrer Handtasche herumwühlte. Sie ging in dieselbe Richtung wie er, und als sie an ihm vorbeikam, wandte er seinen Kopf, so dass er ihr mit den Augen folgen konnte.
    Perfekt! Nun würde er heute Nacht nicht auf Jagd gehen müssen.
    Doch er befand sich noch immer im Stadium des Übergangs. Noch hatte er die Kontrolle nicht vollständig erlangt, also behielt er die Information ihrer Anwesenheit im Hinterkopf, um sich später damit zu beschäftigen. Dante atmete tief die kühle Luft der Dämmerung ein und fuhr fort, sich langsam seinen Weg zu bahnen, in ein Bewusstsein, das einem anderen gehörte – Dane, seinem widerstrebenden Wirt.
    Es ist zu deinem eigenen Besten,
beschwichtigte Dante ihn.
Zu deinem Schutz. Wenn der Morgen kommt, bin ich wieder verschwunden. Nun ruhe dich aus. Schlafe!
    Doch Dane ignorierte seine Beschwichtigungen und kämpfte weiter gegen ihn an, mit einer inneren Stärke, die ebenso bewundernswert wie vergeblich war. Jemand, der so willensstark wie Dane war, unterwarf sich natürlich nicht gern. Diese Zeitspanne des Übergangs mutete immer seltsam und unbehaglich an, ließ sie doch Erinnerungen aufkommen, die sie beide lieber vergessen hätten. Also ging Dante vorsichtig vor, voll Zuversicht, dass er letztendlich doch Erfolg haben würde. So, wie er auch in der Vollmondnacht letzten Monat erfolgreich gewesen war – und in all den Vollmondnächten davor, seit mehr als der Hälfte von Danes Leben.
    Nach wenigen Augenblicken hatte er die vollständige Kontrolle erlangt. Nun war er Dante. Keine eigenständige Person, sondern eher eine alternative Persönlichkeit, die in Danes Geist schlummerte und nur in Erscheinung trat, wenn es notwendig war. Bei Gelegenheiten wie dieser.
    Langsam richtete er sich aus seiner Kauerstellung auf dem Waldboden auf. Er streckte die breiten Schultern, um sich einmal mehr an dieses vertraute Gebilde aus Muskelmasse und Knochen zu gewöhnen, das er nun bewohnte. Dieses Bewusstsein, und damit dieser Körper, gehörten gegenwärtig ihm, und er war nun bis zum Morgengrauen Herr darüber.
    Die Knöpfe des maßgeschneiderten Leinenhemdes, das er trug, standen offen, und der weiße Stoff hob sich hell schimmernd gegen die dunkler scheinende Haut seines wohlgeformten Oberkörpers ab. Er streckte die Hände aus und bemerkte, dass sie schmerzten. Ihm fiel die Axt am Boden auf, etwa einen Meter von ihm entfernt, die gehackten Holzscheite und die aufgeschichteten Zweige, frisch abgeschlagen von verdrehten Baumstämmen in der Nähe.
    Ah ja, nun erinnerte er sich! Als der Bewusstseinsübergang eingesetzt hatte, waren sie gerade bei der Arbeit gewesen.
    Er und Dane.
    Zwei Facetten desselben Verstandes. Zwei Bewohner eines einzigen Körpers.
    Und es war ein Körper, den die Frauen bewunderten, den sie begehrten und über den sie ins Schwärmen gerieten. Knapp zwei Meter groß, muskulös, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Der Kopf auf dem kräftigen Hals zeigte ein männliches Gesicht mit kantigem Kinn und markanter Nase und war von strubbeligen schwarzen Haaren gekrönt. Das Gesicht wies eine ausgeprägte Ähnlichkeit mit denen seiner Brüder auf. Und überdies wären seine Züge schon beinahe zu schön gewesen, um wahr zu sein, hätte es da nicht eine Besonderheit gegeben. Die Augen unter den geraden Brauen spiegelten die Umgebung in eisigem Silber wider und ließen ihn fremdartig erscheinen, und als stammte er nicht von dieser Welt. Was ja auch zutraf.
    Durch den Stoff seiner Hose hindurch spürte er jenes Merkmal, das ihn wohl am meisten zu etwas Andersartigem machte. Eines, das er in diesen Nächten genoss. Liebevoll strich er mit seinem Daumen über dessen beachtliche Länge, als würde er eine Waffe schärfen, die präzise dazu geschaffen war, Lust zu bereiten und zu empfangen. Kräftig und stolz ragte seine Erektion bereits empor und ließ sich in seiner Hose kaum noch bändigen.
    Dieser Schwanz, der ihnen beiden gehörte, symbolisierte den ganzen Umfang von Dantes Rolle. Er war das sexuelle Wesen – nur ein Aspekt des großen Ganzen, das Herr Dane Satyr darstellte. Er erschien immer dann,
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