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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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wenn lustvolles Verlangen in diesem Körper erwachte. Er genoss diese seine Rolle. Und Dane beneidete ihn darum. Gierte danach für sich selbst.
    Ein Geräusch, das wie ein Schlag klang, drang an sein Ohr. Die Frau. Natürlich wusste er noch, dass sie hier war, denn mit einer kleinen Ecke seines Verstandes hatte er ihre Spur die ganze Zeit über verfolgt. Nun fand sein Blick sie wieder.
    Sie bewegte sich ungezwungen durch den Hain, in dem Glauben, sie wäre allein. Hier und da hielt sie inne, um mit einem kräftigen Zug ein oder zwei unreife Oliven von einem Ast abzureißen, die sie sich dann an die Nase hielt und einsteckte, als würde sie Proben sammeln. Die Oliven waren frühestens in einem Monat reif genug, um gepflückt zu werden, deshalb wunderte er sich etwas über ihr Tun. Doch nur kurz, denn Neugier gehörte nicht zu seinen Schwächen. Dane allerdings besaß davon mehr als genug. Und man hatte ja gesehen, wohin sie beide das gebracht hatte.
    In der Ferne hinter ihr berührte die Sonne gerade den Horizont: ein riesiger orangefarbener Ball hinter den Zypressen, die auf dem Hügel gegenüber in Reih und Glied standen und deren schwarze Silhouetten wie Gitterstäbe anmuteten, die die untergehende Sonne einkerkerten. In ihrem Licht wirkte die helle Haut der Frau wie Gold, die Schatten ihrer Züge ließen ihr Gesicht anmutig erscheinen, und ihr dunkles Haar erinnerte an schwarze Kohle. Sie trug ein hübsch geschnittenes Kleid nach der neuesten Mode in einem sittsamen Grauton, der gut mit den Bäumen hier harmonierte. Sie war wohl zwanzig Jahre alt, vielleicht auch ein wenig älter. Und gut gebaut.
    Er lächelte. Sie befanden sich erst seit ein paar Wochen hier, doch diese neue Welt gefiel ihm schon jetzt. Viele Frauen aus den unterschiedlichen Völkern in der Anderwelt, die für gewöhnlich als Gespielinnen für seinesgleichen dienten, waren einer Krankheit zum Opfer gefallen, die sie entweder getötet oder ihnen die Fähigkeit geraubt hatte, Nachkommen von Satyrblut zur Welt zu bringen. Nur noch die Mitglieder des Rates genossen den Luxus, ihre eigenen Frauen haben zu können. Doch hier musste man die Frauen nur direkt vor der eigenen Haustür aufsammeln.
    Seine Beute verschwand auf eine Lichtung, und er ging hinter ihr her und beobachtete sie. Sie hielt den Kopf gesenkt und betrachtete etwas, das sie in den Händen hielt. Ein kleines Buch. Mit einer Hand, die in einem Handschuh aus Spitze steckte, blätterte sie eine Seite um, und eine steile Falte erschien zwischen ihren dunklen Brauen, als sie die Stirn runzelte bei dem Versuch, im schwindenden Licht den Text zu entziffern.
    »Also wirklich,
Maman!
Was soll ich mit diesem Gekritzel anfangen? Hättest du das nicht besser zustande bringen können, gerade etwas so Wichtiges?« Sie sah sich um und fächelte dabei in offensichtlicher Ungeduld das goldgeränderte Buch hin und her.
    Er besaß eine natürliche Gabe dafür, sich lautlos und unbemerkt fortzubewegen – ein Talent, das durch ein Jahrzehnt Training und Felderfahrung als Tracker in der Anderwelt noch verbessert worden war. Und so bewegte Dante sich geräuschlos in ihre Richtung, fest entschlossen, ihr den Weg zur Straße abzuschneiden. Sie wusste es zwar nicht, aber sie war hier gerade im passendsten Moment aufgetaucht. Die Nacht brach herein. Eine ganz besondere Nacht für jene von Danes Art. Sobald der Mond aufging, würde es beginnen.
    Er ließ seinen Blick kurz prüfend über den Hain schweifen. Er war geschützt. Dane persönlich hatte die Umgebung erst heute Morgen mit Schutzzaubern belegt. Sollten Menschen diesem Ort zu nahe kommen, würden sie sich von Kräften abgeschreckt fühlen, die sie nicht verstanden. Da diese Frau es geschafft hatte, dennoch hier einzudringen, konnte er nur annehmen, dass sie von Anderweltblut sein musste.
    Erneut betrachtete er sie. Sie war schlank, aber wohlgeformt. Eine Fee vielleicht. In dieser besonderen Nacht würde auch ihr Blut in Wallung kommen, wenn auch nicht so sehr wie das des Satyrs. Nicht so sehr wie sein eigenes. Wenn man nur zehn Stunden im Monat lebte, war man verständlicherweise besonders begierig.
    Ein leichter Windstoß streifte seinen Rücken und rauschte hinter ihm durch Misteln, Betonien, Zichorien, Fenchel, Rosmarin und Safran, die dort auf dem Waldboden wuchsen. Er beobachtete, wie die Brise in Richtung der Frau wehte und seinen Duft mit sich trug.
    Als der Windhauch ihre Röcke bauschte und Strähnen ihres Haars aufwirbelte, erstarrte sie in
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