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Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Titel: Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
Autoren: Marie Lu Pera
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Eins
     

    „ Hope! Hier drüben! ...“ Mein Onkel winkt mir energisch von der anderen Seite des Absperrbandes zu. Kurzerhand schlüpfe ich hindurch und stehe nach ein paar Schritten vor ihm. Ich kann mich nicht an ihn erinnern. Wenn er mich nicht erkannt hätte, wäre ich glatt an ihm vorbeigelaufen.
    „Dein Flug ist schon vor zwei Stunden gelandet. Bist du im Zoll hängengeblieben? Naja, egal. Du bist aber groß geworden. Komm mal her.“ Er streckt die Arme zu beiden Seiten aus. Sein Blick ist erwartungsvoll an mich gerichtet. Wenn er jetzt eine Umarmung erwartet hatte, muss ich ihn wohl bitter enttäuschen. Unverrichteter Dinge senkt er die Gliedmaßen räuspernd.
    „Wie war dein Flug?“, will er wissen. Die nächste Enttäuschung zeichnet sich in seinen Gesichtszügen ab, denn ich habe nicht vor, zu antworten.
    „Du bist sicher müde. Wir fahren erst mal nach Hause und dann kannst du mir alles erzählen.“ Die Information ist zwar angekommen, aber aus mir wird er keinen Ton rauskriegen.
    Das hat er jetzt auch kapiert und greift stirnrunzelnd nach meiner Tasche. „Die ist aber leicht. Du hast wohl nicht sehr viel aus New York mitgenommen“, stellt er fest.
    Auch dazu schweige ich. Kopfschüttelnd macht er sich zum Flughafenausgang auf. Ich folge ihm unauffällig.
    Kurz werde ich noch von der beißenden Kälte und dem starken Schneefall in dieser Welt gehalten, tauche aber bereits ein paar Sekunden später in einen Tagtraum ab, in dem ich mich deutlich wohler fühle, als in der Realität.
    Onkel Tim quasselt die ganze Autofahrt lang. Ich kann sehen, dass sich seine Lippen bewegen, aber ich verstehe kein einziges Wort davon. Mein mp3-Player schottet mich von der Außenwelt ab. Es ist bereits dunkel. Alles, was ich erkennen kann, sind Schneefahrbahnen und tief verschneite Wälder. Ich bin in Irland aufgewachsen. Nach all den Jahren wieder hierherzukommen, ist ein komisches Gefühl. Auch an meine Kindheit kann ich mich kaum erinnern.
    Vor einem kleinen Haus inmitten der Einöde stoppt er den Wagen. Genau in diesem Moment geht mir der Saft meines Players aus. Nun schaffen es Onkel Tims Worte doch noch durch die akustische Barriere.
    „Also, junge Dame. Du bist siebzehn und das bedeutet, dass du dich hier an Regeln halten wirst. Nämlich an die, die ich aufstelle. Ich bin sehr streng. In diesem Haus gibt es weder Zigaretten noch Alkohol und das soll auch so bleiben. Wenn du so etwas dabei hast, dann solltest du gleich damit rausrücken.“ Als ich nicht reagiere, fährt er fort. „Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Hausregeln, die, für alle einsehbar, an einer Pinnwand im Flur hängen. Du kannst sie ja beizeiten studieren. Solltest du eine Regel brechen, tritt der Familienrat zusammen, der über dich richten wird.“ Meine Fresse. „Da dies geklärt ist. Willkommen in Irland, Hope.“
    Wir steigen aus und treten zur Tür. Genau sieben Mal streift er sich die Schuhe an der Fußmatte ab, bevor er eintritt. Das weiß ich so genau, weil er laut mitgezählt hat. Was das bringen soll, weiß ich nicht – mein Onkel scheint abergläubisch zu sein.
    Ich stampfe zweimal, damit sich der Schnee von meinen Stiefeln löst und will ebenfalls eintreten.
    „Nicht doch junge Dame. Das war nicht siebenmal“, ermahnt er mich. Nein, sag nicht, das gilt für mich auch.
    „Das steht in den Regeln. Jeder, der dieses Haus betritt, streift sich sieben Mal die Schuhe ab. Das ist eine Glückszahl. Tritt ein – bring Glück herein, lautet die Devise.“ Klasse, ich bin noch nicht mal zur Tür rein und er geht mir schon auf die Nerven. Mann, das kann ja heiter werden.
    Des Friedens willen tue ich, was er verlangt. Endlich gibt er die Tür frei und lässt mich durch.
    Kitschige Weihnachtsdeko springt mir ins Auge. Das Haus ist vollgestopft bis unters Dach. Ist kaum auszuhalten.
    Überall lächeln Weihnachtsmänner mit dicken Bäuchen und Engel mit Pausbäckchen von den Wänden. Sogar auf dem Teppich steht: „
Gesegnet seist du, hochwohlgeborener Gast
“.
    Ich bin in meiner ganz persönlichen Hölle angekommen. Inklusive Empfangskomitee in Form meiner Tante und meinen zwei Cousinen, die mir kreischend um den Hals fallen. Als Sahnehäubchen enthüllen sie ein Banner mit dem Schriftzug: „
Willkommen in Irland, liebe Hope
“. Nein bitte, ich halt das nicht aus. Ich bin schon von der Deko vollkommen reizüberflutet.
    „Hope, willkommen in unserer Familie“, begrüßt mich Tante Claire, mit bis zur Schmerzgrenze verstellter
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