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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne
Autoren: Joey Goebel
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kannte, hatte sie Sattelschuhe, Mary Janes, Chucks, Vans oder gelegentlich mal Abendschuhe getragen, doch plötzlich tauchte sie auf und sah aus, als wolle sie unbedingt Kickball spielen. »Was ist passiert?«
    »Hörst du auf damit?« Sie lächelte zwar, doch ich hörte ihren Ärger heraus. »Ich hab mich nicht verändert. Es sind nur Schuhe. «
    »Es sind nie nur Schuhe. Vielleicht sind Schuhe für Erwachsene etwas, das sie sich einfach anziehen, aber nicht für uns.«
    Sie antwortete nicht. Jetzt erst merkte ich, dass das Wetter perfekt war. Es wehte eine leichte Brise, und die Temperatur hätte nicht angenehmer sein können. Chloe betrachtete die Autos, genau wie ich.
    [21]  Nicht nur einmal, sondern mehrmals hatte ich auf dem Parkplatz mitbekommen, dass ein Auto obszön ruckelte, aber nicht heute. Es war erst Montag.
    7 . 57   Wir näherten uns Osborne. »Du hattest bestimmt einen schlimmen Spring Break«, sagte Chloe nach einer kurzen Pause.
    »Ja, aber das war zu erwarten. Wie war’s in Destin?«
    »Schon okay, schätze ich.« Sie räusperte sich. »Übrigens bin ich dann doch nicht nach Destin gefahren.«
    »Wo warst du denn?«
    »In Panama City Beach.«
    Panama City Beach in Florida hatte auch den Beinamen »Spring-Break-Hauptstadt der Welt«. Nach dem, was ich auf MTV gesehen hatte, wusste ich, dass es ein heißer, stinkender, benutzter Tampon von einer Stadt war. Ihre schnaufenden, rotgesichtigen Touristen hingen in Whirlpools ab, als würden sie in Fleischbrühe gegart.
    »Mit deiner Familie?«, fragte ich zuversichtlich.
    »Nein. Christy hat mich auf den letzten Drücker eingeladen. Ich bin selbst überrascht, dass ich überhaupt mitgefahren bin.« Von dieser Christy hatte ich nie viel gehalten.
    »Du hast deinen Eltern einfach abgesagt?«
    »Nein. Meine Mom hat mir sogar zugeredet mitzufahren, ob du’s glaubst oder nicht. Sie hat gesagt, sie wisse, wie gestresst ich sei und wie schwer ich für die Schule geackert hätte, und mir das nötige Kleingeld gegeben.«
    »Aber wir haben uns doch immer über Leute lustig gemacht, die nach Panama City fahren.«
    »Ich weiß, aber jetzt, wo ich da war, wurde mir klar, dass [22]  das nicht richtig von uns war, da ja vorher keiner von uns beiden da gewesen ist.«
    »Was hast du da unten eigentlich gemacht ?«
    »Am Strand gewesen, in der Ferienwohnung abgehangen. Hey, fast hätt ich’s vergessen! Der Text, den du verteilt hast, hat mir gut gefallen!«
    »Danke. Du hast mir als Publikum vorgeschwebt – na ja, nicht du persönlich, sondern Menschen wie du. Also, wenn er dir nicht gefallen hätte, wäre der Text ein totaler Fehlschlag gewesen.« Während ich mit ihr sprach, fiel mir auf, dass sie zu zwei coolen Typen hinübersah, die beide Khakishorts und Nikes anhatten. Den einen mochte ich, den anderen nicht. Sie erwiderten ihren Blick.
    »Mir hat er gut gefallen«, wiederholte sie. »Du hast tolle Arbeit geleistet.«
    »Danke.«
    Sie sah ein zweites Mal zu den Jungs rüber, diesmal aus den Augenwinkeln. Weil ich überempfindlich war, entgingen mir solche Sachen nie. Hier lief eindeutig etwas. Chloe war an einem Ort in Florida gewesen, wo alle soffen wie Bauarbeiter, die gerade eine Scheidung durchmachten; da hätte alles geschehen können. Womöglich hatte sie sich so gründlich verändert, dass wir nicht mehr zueinander passten.
    So hatte ich unser Gespräch überhaupt nicht eingeübt. Ich traf eine Entscheidung: Ich würde sie erst in der zweiten Stunde fragen, ob sie mit mir ausging.
    Wie ich es immer bei allen machte, hielt ich Chloe die Tür auf.
    »Danke«, sagte sie im Vorbeigehen. Doch dann näherten [23]  sich noch zwei Mädchen der Tür, Mädchen von der Sorte, die wahrscheinlich schon als Babys einen dummen Gesichtsausdruck gehabt hatten, denen ich auch die Tür aufhielt. Unterdessen wartete Chloe nicht auf mich. »Wir sehen uns in der zweiten Stunde«, sagte sie beim Gehen über die Schulter.
    »Bis dann«, sagte ich, während die beiden Mädchen durch die Tür gingen, die ich offenhielt.
    Sie bedankten sich nicht.

[24]  Ordnungsstunde
    7 . 59   Falls wirklich jemand über mich wachte, so durfte er oder sie die Schule offenbar nicht zusammen mit mir betreten. Sobald ich diese Tür durchschritt, musste ich ihn oder sie auf der anderen Seite zurücklassen, so wie Freunde und Verwandte, die einen am Flughafen verabschieden, aber nur bis zur Sicherheitskontrolle mitkommen dürfen. Ich wusste aber, dass man an viel schlimmeren Orten festsitzen
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