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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne
Autoren: Joey Goebel
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[12]  Freud’schen Fehlleistung meines Fußes einen Mitschüler zu überfahren. Damit zwei unterklassige Schüler, eine Mischung aus Preppy und Schlägertyp, vorbeigehen konnten, hielt ich ganz an, was bei den Herren hinter mir bestimmt Krämpfe auslöste. Die Preppy-Schläger vergalten mir meine Freundlichkeit, indem sie sich Zeit ließen. Sie bekamen vierundzwanzig Stunden am Tag nichts mit und hatten mich wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Doch egal: Fußgänger hatten immer Vortritt, und ich war ein hervorragender Fahrer.
    Mein Vater hatte immer betont, was für ein hervorragender Autofahrer er sei, dabei machte er Dustin Hoffman in Rain Man nach. Als ich sieben war, nahmen mich meine Eltern ins Kino mit, wo ich mir Rain Man ansah, was mir nicht ungewöhnlich vorkam, weil sie mich Erwachsenenfilme sehen ließen, seit ich allein auf dem Klo sitzen konnte. Als Kind gehörte Die Farbe des Geldes zu meinen Lieblingsfilmen, außerdem alles mit Jack Nicholson – dem Lieblingsschauspieler meines Vaters. Manchmal gingen Dad und ich auch allein ins Kino, um uns einen Jack-Nicholson-Film anzusehen. Dass ich so früh Filmstoff für Erwachsene sehen durfte, trug vielleicht mit dazu bei, dass ich später im Leben nicht auf Sex und Gewalt fixiert war, was bewirkte, dass ich in meiner Altersgruppe nie einen Fuß auf den Boden bekam.
    Nachdem die Schleicher in ihren Abercrombie & Fitch-Klamotten endlich weg waren, fuhr ich weiter auf den hinter der Schule gelegenen zweiten Parkplatz und steuerte eine der beiden letzten Schrägparklücken vor den Tennisplätzen an. Ehe ich auch nur zu einem Viertel eingeparkt [13]  hatte, rasten die Einserschüler rücksichtslos an mir vorbei, als wollten sie demonstrieren, wie schnell ich ihrer Meinung nach hätte fahren sollen.
    Ich suchte mir immer bevorzugt schräge Parklücken, weil ich so den 1988er Lincoln Town Car meiner Eltern, der an meinem sechzehnten Geburtstag in meinen Besitz übergegangen war, viel leichter einparken konnte. Vornehm marineblau und in der Länge fast mit einer Limousine vergleichbar, sah er aus, als hätte er sich aus einer Wagenkolonne des Präsidenten entfernt, wären da nicht die erkennbaren Mängel gewesen: ein Sprung, der sich auf der Beifahrerseite über die halbe Windschutzscheibe hinzog, und ein kaputter Scheinwerfer (weil mich im vorigen Monat auf dem Schulparkplatz jemand gerammt hatte). Es war ein lädierter Aristokrat von einem Automobil, das sich von all den Camrys, Grand Ams, Pick-ups und SUV s abhob.
    Ich stellte den Automatikhebel auf Parken. Obwohl die Schulvorschriften besagten, man müsse sich nach dem Eintreffen umgehend in der Schule melden und dürfe nicht im Auto bleiben, stieg ich nie aus, ehe meine alte goldene Armbanduhr 7.56 anzeigte, weil ich mit diesen Leuten keine Minute länger verbringen wollte als unbedingt nötig. Diese Einstellung hatte ich nicht ohne Schuldgefühle. Ständig rief ich mir in Erinnerung, dass nicht alle so grässlich waren, vor allem wenn man sie allein erwischte und sie nicht irgendeine Rolle spielen mussten. Das Problem lag darin, dass die meisten schlecht erzogen waren und bald ihre eigenen Kinder schlecht erziehen würden, und auf diese Weise wurde das Gute in ihrem Blut im Lauf der Generationen immer mehr verwässert.
    [14]  Häufig sagte ich mir im Stillen, ich müsse keine Schuldgefühle haben, weil ich sie verurteilte, denn wenn wir in die Köpfe der anderen gelangen könnten, würden wir erkennen, dass wir für einander ohnehin Arschlöcher waren.
    7 . 51   Ich ließ die Seitenfenster oben, aus Rücksicht auf diejenigen, die meine Musik vielleicht nicht hören wollten, und weil sie bestimmt »Schwuchtel« (eins ihrer Lieblingswörter) rufen würden, wenn sie hörten, was es war: Oscar Petersons Klavierversion von »Someone to Watch Over Me«. Ich bemühte mich, jede Note in mich aufzunehmen, wohl wissend, dass ich wahrscheinlich den ganzen Tag keinen Frieden mehr finden würde.
    Herrje, ich wollte wirklich nicht da rein, heute weniger denn je! Durch meine kaputte, schmutzige Windschutzscheibe konnte ich sie alle beobachten. An manchen Tagen tat ich so, als kontrollierte ich ihre Bewegungen mit meinem Verstand (du gehst nur, weil ich will, dass du gehst), doch heute lehnte ich den Kopf gegen das Beifahrerfenster und beobachtete nur. Viele zelebrierten gerade ihr Ritual einer letzten Morgenzigarette, was sie tun konnten, weil der Parkplatz nicht überwacht wurde, als würde die Schule sagen: »Wir
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