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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne
Autoren: Joey Goebel
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zu sehen, festzustellen, dass sie wirklich mehr als nur eine Idee war. Und sie ging allein, Gott sei Dank.
    Ich machte die Musik aus. Im Rückspiegel überprüfte ich meine Frisur, dann nahm ich die Bücher (meinen Deutschtext und eine Taschenbuchausgabe von George Orwells 1984 sowie meine Mappe für Kreatives Schreiben) und stieg aus dem Wagen.
    Sie winkte mir zu. Ich winkte zurück. Sie blieb stehen und wartete auf mich, dabei strich sie sich nervös die Haare aus dem Gesicht, eine Angewohnheit von ihr.
    Vielleicht bildete ich mir das ja nur ein, aber wie in einem Teeniefilm, oder einer Idiotenversion von Pygmalion, [18]  schienen ihre Brille und die exzentrische Kleidung zu verhindern, dass die Leute sahen, wie hübsch sie wirklich war, auch wenn sie wohl eher niedlich als hübsch war. Meine Mutter hätte über sie vielleicht gesagt: »Die kleine Chloe sieht nur so aus, als wär sie süß.« Und sie war nicht nur niedlich, süß, anmutig etcetera, wahrscheinlich würde sie die Schule auch als eine der Jahrgangsbesten abschließen.
    Für mich war sie das verführerischste Mädchen der westlichen Hemisphäre, und ich hatte beschlossen, mich heute aus dem jämmerlichen Beziehungsschwebezustand zu lösen, in dem sie mich hielt. (Dieser Blick, den sie mir zuwarf – bedeutete der, dass sie mich mochte? Und wie sie von mir verlangte, mich an ihrem College zu bewerben – lag das nur daran, dass wir Schulfreunde waren?) Da meine schlimmste Phase jetzt hinter mir lag, war es an der Zeit, das Glück zu ergreifen, das sich mir so lange entzogen hatte. Chloe verkörperte für mich die Möglichkeit, glücklich sein zu können, doch wenn sie in mir nur eine Art verlässlicher Kleiner-Bruder-Ersatz sah, würde ich mich dem nächsten Liebeskummer zuwenden. Entweder gewann sie einen richtigen Freund, oder sie verlor einen platonischen.
    Doch dann sah ich etwas, bei dem mir das Herz in die Hose rutschte.
    Sie hatte neue Schuhe an.
    7 . 55   Es waren Nikes, aber keine Retro-Nikes. Diese hier waren neumodisch und strahlend weiß, und sie ließen Chloes Füße groß aussehen. Fürchterlich viele Jungs und Mädchen auf Osborne trugen solche Schuhe.
    Davon abgesehen, schien alles andere noch zu stimmen: [19]  schwarze Cat-Eye-Brille, langes, gewelltes brünettes Haar, ein hellblaues T-Shirt mit schwarzgrauer Herrenweste und ein grauer knielanger Rock, der zu den Schuhen komisch, aber nicht lächerlich aussah. Ihre ungewöhnlich helle Haut war in Florida nur dezent getönt worden.
    »Hey, James.«
    »Morgen, Chloe.«
    Es folgte die absurde Farce, bei der ich so tun musste, als hätte ich nicht jede Minute der Ferien an sie gedacht. Gemeinsam gingen wir Richtung Schule, die immer irgendwie bedrohlich wirkte. Die Architektur war denkbar schlicht: Das Haus sah aus wie ein gewaltiger Schuhkarton aus braunem Backstein.
    »Du hast neue Schuhe.«
    »Stimmt.«
    »Warum?«
    Chloe lachte. »Weil ich etwas Bequemeres haben wollte.«
    »Verstehe.« Alles musste bequem sein. Manchmal versuchte ich, mir Clark Gable in Shorts oder Audrey Hepburn in Nikes vorzustellen.
    »Tut mir echt leid«, sagte Chloe plötzlich. »Ich hätte ja angerufen, bin aber erst gestern Abend nach Hause gekommen, aber da hätte ich wohl noch anrufen können, andererseits war es vielleicht zu spät, und ich hätte besser anrufen sollen, als ich noch unten war. Jedenfalls tut es mir leid.«
    »Schon in Ordnung. Darf ich deine Bücher tragen?«
    »Oh, ich hab meinen Rucksack, aber lieb, dass du fragst.«
    »Drückt er denn nicht zu sehr auf deinem Rücken?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Keine Ahnung, wie ihr’s alle mit diesen doofen [20]  Rucksäcken aushaltet. Du willst also eine Art Statement abgeben, mit deinen Schuhen, meine ich –«
    Wieder lachte sie. »Du machst mich verlegen. Das sind doch nur Schuhe.«
    Es klingelte zum ersten Mal. In fünf Minuten würde es erneut klingeln, zu Beginn der ersten, einer Ordnungsstunde. Doch von »Klingeln« konnte schon lange keine Rede mehr sein. Unser »Klingeln« waren einfache, schrille Töne, die »Ding, ding… Diiing« machten.
    »Tut mir leid, aber normalerweise wechseln die Leute nicht aus heiterem Himmel die Schuhe.«
    »Ich bin in den Ferien furchtbar viel gelaufen und habe auf die harte Tour erfahren, dass Chuck Taylors nicht für lange Wanderungen gemacht sind, deshalb habe ich diese hier gekauft, als ich in – als ich da unten war.«
    »Bitte, Chloe. Du kannst mit mir reden, das weißt du.« Seit ich dieses Mädchen
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