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Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst

Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst

Titel: Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
Autoren: Susan Mallery
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eine echte Beziehung zueinander gehabt hatten.
    Liz überquerte eine ruhige Straße und befand sich nun wieder in ihrer früheren Nachbarschaft. Die Häuser waren einfach, mit zwei oder drei Schlafzimmern und einer kleinen Veranda. An den Fassaden blätterte da und dort die ausgebleichte Farbe ab. Ein paar Häuschen allerdings leuchteten wie bunte Blumen inmitten der verwahrlosten Gärten und erweckten den Eindruck, als würde die Wohngegend bald einen Aufschwung erleben.
    Und mittendrin befand sich das heruntergekommenste Haus der Straße. Ein Schandfleck mit abgeblättertem Verputz und fehlenden Dachschindeln. Der Garten bestand aus mehr Unkraut als Pflanzen oder Rasen, die Fenster waren blind vor Schmutz. Eine Sperrholzplatte verdeckte ein Loch in einer kaputten Scheibe.
    Liz schloss mit dem Schlüssel auf, den sie unter der Fußmatte gefunden hatte. Sie hatte vorhin bereits einen kurzen Rundgang durch das Haus gemacht, um nachzusehen, ob die Mädchen da waren. Angesichts der Schulbücher, die sich auf dem schmutzigen Küchentisch stapelten, und der Kleidungsstücke auf dem Fußboden der Mädchenzimmer vermutete Liz, dass die Sommerferien noch nicht begonnen hatten.
    Jetzt ging sie mit dem Abendessen, das sie gekauft hatte, in die Küche. Die Hälfte der Küchenschränke fehlte. Es sah so aus, als hätte irgendjemand mit Renovierungsarbeiten begonnen und es sich dann anders überlegt. Der Kühlschrank funktionierte, war aber leer. In der Speisekammer in der Ecke gab es keine Vorräte. Im Müll steckten ein paar leere Chipstüten, und auf der Küchentheke lag ein einziger kleiner Apfel.
    Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Dem Brief ihrer Nichte zufolge waren die Mädchen seit ein paar Wochen auf sich gestellt. Seit dem Zeitpunkt, als ihre Stiefmutter das Weite gesucht hatte. Müsste nicht eigentlich der Staat eingreifen, wenn der Vater im Gefängnis saß und es sonst keine Verwandten gab? Wo waren die Leute vom Jugendamt?
    Es gab noch mehr Fragen, die Liz beschäftigten. Doch sie beschloss, sich später mit ihnen auseinanderzusetzen. Es war nach vier. Die Mädchen müssten also eigentlich bald nach Hause kommen. Sobald sie sich kennengelernt hatten, würde sie noch mehr Lebensmittel besorgen und herausfinden, was hier vor sich ging.
    „Mom?”, rief Tyler aus dem Wohnzimmer, „darf ich fernsehen?”
    „Bis deine Cousinen kommen.”
    Peggy hatte bereits angerufen und Bescheid gegeben, dass sie alle Strom-, Wasser- und sonstigen Rechnungen bezahlt hatte und nun alles wieder funktionieren sollte. Dass es Strom gab, hatte Liz schon festgestellt. Sie drehte den Wasserhahn auf. Das Wasser schoss heraus – ein gutes Zeichen. Sekunden später hörte sie den Ton eines Zeichentrickfilms, was bedeutete, dass es hier Kabelfernsehen gab. Das moderne Leben, wie sie es kannte, war wiederhergestellt.
    Sie ging zurück in den vorderen Teil des Hauses, über die Treppe hinauf ins obere Stockwerk und weiter in das Elternschlafzimmer. Es war der einzige Raum mit Familienfotos. Auf die alte, abgewetzte Kommode hatte jemand ein Hochzeitsfoto gestellt, das einen viel älter gewordenen Roy an der Seite einer dicklichen Blondine zeigte. Es gab auch ein paar Schulfotos der Mädchen. Liz trat näher und betrachtete sie prüfend. Sie suchte nach vertrauten Gesichtszügen.
    Melissa schien Roys Lächeln zu haben. Abby hatte Liz’ Augen und ihre Sommersprossen. Beide waren rothaarig. Melissas Haarfarbe war ein sanftes Kastanienrot. Abbys Haar war karottenrot, was hinreißend aussah. Liz ahnte allerdings, dass die Elfjährige ihre außergewöhnliche Haarfarbe noch eine ganze Weile nicht zu schätzen wissen würde.
    Sie sah sich im Zimmer um. Das Bett war nicht gemacht, die Schubladen der Kommode standen offen und waren leer. In dem erstaunlich großen Schrank hing lediglich Männergarderobe, und es gab ein paar Kartons mit Socken und Unterwäsche, die höchstwahrscheinlich Roys Ehefrau dort verstaut hatte.
    Plötzlich war der Raum erfüllt von Erinnerungen. Sie ließen Liz nicht los und verfolgten sie, als sie hinaus in den Flur trat und zu jenem Zimmer ging, das früher ihres gewesen war. Vieles, was sie unbedingt hatte vergessen wollen, fiel ihr wieder ein.
    Sie hörte das Schreien ihrer Mutter und nahm den Geruch von Alkohol wahr. Sie erinnerte sich an die tiefen Stimmen der Männer, die hier ein- und ausgegangen waren. Die meisten „Freunde” ihrer Mutter waren Liz aus dem Weg gegangen, doch ein paar hatten sie mit einer
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