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Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)

Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)

Titel: Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Autoren: Markus Mayer
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  Raben
    (Birgenheim im Winter)
    Hastig stolperte er über die gefrorenen Grasbüschel der großen Wiese. Seine mit Lumpen umwickelten Füße spürte er schon beinahe nicht mehr. Der Junge war mittlerweile so außer Atem, dass er die kalte Luft tief in seine Lunge ziehen musste. Die Kälte stach.
    Er wischte seine tropfende, fast blaue Nase am Ärmel ab und spähte den Hügel hinauf. Die Wollmütze juckte entsetzlich auf seiner verschwitzten Stirn. Weit war es jetzt nicht mehr zum Halben, vielleicht fünf Steinwürfe, aber bei dieser Kälte und seinem schweren Gepäck war das noch lange genug. Die Trageriemen schnitten ihm in die Schultern und drückten das Blut ab, sodass seine Arme ganz taub waren.
    Es war kalt, sehr kalt, schon seit Wochen. Das allein war nichts Ungewöhnliches zu dieser Zeit des Jahres. Ungewöhnlich war nur, dass noch keine einzige Schneeflocke gefallen war. Sonst war schon wenige Wochen nach dem Erntefest der erste Schnee heruntergekommen. Doch dieses Jahr war es anders. Die Leute im Dorf redeten zurzeit viel über das Wetter.
    ‚Der Schnee will gar nicht kommen dieses Jahr.’
    ‚Ja, da hast du recht. Kommen will der wohl noch nicht. Hast du schon alle Tiere im Stall?’
    ‚Ja, natürlich ... Ist bestimmt ein schlechtes Zeichen mit dem Schnee.’
    ‚Meinst du? Meine Großtante mütterlicherseits, die alte Rutwin, hat gestern erst erzählt, dass beim letzten Winter ohne Schnee, da wäre sie noch klein gewesen, alle Tiere im Stall verreckt sind ...’
    ‚Nee? ...’
    ‚Doooch ... Wenn ich’s doch sage ...’
    Sie hatten jetzt für gewöhnlich auch nicht viel anderes zu tun, wenn sie sich trafen. Die Ernte war eingebracht, das Holz war gesammelt, das Vieh war im Stall. Außer einer kranken Kuh hier oder einem undichten Dach da gab es nicht viel, über das die Leute reden konnten während ihrer Handarbeiten. Über ihn natürlich – über ihn redeten sie fast genauso viel, wie über das Wetter.
    ‚Der Junge von Helmin, der Moakin ... Hast du das schon gehört? ... Da steht er am Dorfbrunnen, mit einem Eimer in der Hand und singt, klar wie eine Elfenglocke ... und dann fragt ihn Halpren, ob er auch ein anderes Lied kann ... und dann ... hi, hi, ... dann bleibt er mittendrin stecken und stottert so dermaßen, dass ihm der Eimer samt Leine wieder ins Wasser fällt ... hi, hi, ha ... aber das Beste ist, er hatte ihn nicht mal fest gebunden. Seitdem haben wir noch einen Eimer im Dorfbrunnen.’
    ‚Tja, aus dem wird wohl nie was Rechtes. Der ist halt ein bisschen wirr im Kopf. Bei dem Vater.’
    ‚Ha, ha, das kannst du laut sagen ...’
    Früher hatte es ihn noch getroffen, aber inzwischen war ihm egal, was sie von ihm dachten. Er redete mit ihnen, wenn er musste, und das kam nicht all zu oft vor und trotz seiner schweren Stotterei wussten sie am Ende immer, was er wollte. Meistens wussten sie es schon vorher, weil er immer das Gleiche verlangte.
    Schon seit Jahren machte er für den Halben die Besorgungen im Dorf. Das ging eigentlich von seiner Mutter aus.
    Moakin wurde bewusst, wie sonderbar der Name im Grunde war – der Halbe. Seit er denken konnte, gab es schon den Halben, aber der war nie eine halbe Portion gewesen sondern ein großer Mann mit breiten Schultern. Moakin wollte, wenn er richtig groß war, auch so viele Muskeln haben wie der Halbe früher. Jetzt nämlich, da er schon so lange krank war, machte der Halbe seinem Namen alle Ehre.
    Er hieß eigentlich nur der Halbe, weil niemand seinen richtigen Namen kannte und er eben auf halbem Weg vom Dorf zu dem Haus der Kräuterfrau, seiner Mutter, lebte.
    Moakins Schultern schmerzten. Genau genommen war ihm der Fremde egal, wie alle anderen außer seiner Mutter. Sie hatte darauf bestanden, dem Halben zu helfen, und wenn seine Mutter auf etwas bestand, gab es weder links noch rechts. Früher war sie noch mit ins Dorf gegangen, aber nun war Moakin alt genug. Er war ja fast schon ein Mann mit seinen dreizehn Wintern. Mutter war das ganz recht, denn so gut war sie auch nicht mehr zu Fuß. Ihr genügte es, wenn sie zu den Notfällen im Dorf eilen musste. Sie war schließlich die Kräuterfrau.
    Darüber, dass sie dem Halben half, wurde natürlich auch geredet, nur eben ein bisschen leiser, manchmal sogar hinter vorgehaltener Hand.
    ‚Was die Helmin bloß an dem alten Kauz findet? Der ist doch gar keiner von uns.’
    ‚Sie ist die Kräuterfrau und sie wird wissen, wem sie helfen muss. Aber neulich wäre fast Inglins Ochse verreckt, nur weil
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