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Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)

Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)

Titel: Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Autoren: Markus Mayer
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Rücken hinunter gelaufen. Dieselbe unverständliche Sprache wie sonst auch, nur die Stimme war die eines Dämons gewesen. Das hatte sie instinktiv gespürt.
    Das Nächste, an das sie sich erinnerte, war, dass sie morgens auf dem Boden aufwachte. Ohne den Beigeschmack der schlaftrunkenen Nachtwache glaubte sie nun, selbst nur einen Traum gehabt zu haben. Bei dem Gedanken an diesen Traum und mit den Händen in der Wasserschale fröstelte sie.
    Helmin trocknete ihre Hände und deckte den Kranken wieder zu. Im Augenblick lag er friedlich beinahe selig auf dem Bett und wirkte entspannt. Er murmelte etwas vor sich hin.
    Sie hörte ein Geräusch und wollte gerade aufstehen, als Moakin sie rief.
    »Mutter, k ... k ... komm schnell, das m ... musst du gesehen haben!«
    Rasch stand sie auf und verließ das kleine Zimmer. Ihr Sohn stand mit dem Rücken zu ihr in der offenen Tür.
     »Moakin, mach die Tür zu. Es ist doch so bitterk ...« Sie war hinter ihn getreten, um die Tür zu schließen, als ihr Blick nach draußen fiel. Erst jetzt wurde ihr bewusst, woher das Geräusch stammte, das sie vorhin gehört hatte.
    Vor der Hütte saßen Raben, Hunderte, wenn nicht Tausende. Es musste ein riesiger Schwarm sein. Der Boden war vor lauter schwarz glänzendem Gefieder kaum zu erkennen. Es schien, als ob die Raben die beiden Menschen in der Tür anstarrten.
    Die Augenblicke verstrichen und man hörte nur das leise Pfeifen des Windes und das Krächzen der Raben, das ebenfalls leiser wurde. Stille. Selbst wenn Helmin gewollt hätte, sie hätte sich nicht rühren können.
    Ein Ächzen zerbrach die Ruhe, ein Ächzen, das Steinmauern von sich geben, kurz bevor sie zusammenfallen, ein Ächzen, das riesige Bäume von sich geben, bevor sie stürzen. Es kam aus dem hinteren Zimmer.
    Ein Ziegel löste sich vom Dach und schlitterte erst langsam und dann immer schneller und lautstark die Schräge herab, bis er sich vom Dach löste und frei fiel. Die Zeit schien wieder stillzustehen.
    Helmin nahm alles gleichzeitig war. Die Raben, den Ziegel in der kalten Luft, den dämmrigen Himmel und die Holzhütte, die ihr jetzt noch baufälliger vorkam.
    Nach einer kleinen Ewigkeit zerschellte der Ziegel auf dem alten Schleifstein, der von Efeu überwuchert vor der Hütte stand. Als wäre das ihr Signal, flogen alle Raben auf einmal davon. Zurück blieben Moakin und Helmin, die wie festgenagelt in der Tür der kleinen Hütte standen und in die menschenleere Landschaft blickten. Helmin fand als Erste die Worte wieder: »Komm rein.«
    Sie zog ihren Sohn in die Hütte und schloss die Tür.
    »Leg noch ein paar Scheite auf. Ich glaube, wir brauchen den Holzvorrat nicht mehr.«
    Wie benommen gehorchte der Junge und machte sich am Feuer zu schaffen.
    Sie blickte zum hinteren Zimmer. Ihre Kaumuskeln traten hervor. Fast lautlos schritt sie auf die Tür zu und ohne ihn gesehen zu haben, wusste sie, dass er gestorben war. Andächtig betrat sie das Zimmer, vergewisserte sich, dass seine Augen geschlossen waren, und richtete seine Gliedmaßen. Mit geübten Griffen band sie ihm den Kiefer nach oben, damit der Mund während der Leichenstarre nicht offen stand. Dann stellte sie sich ans Fußende, verschränkte die Arme vor der Brust und begann die Totenklage. Ihre sonst doch kräftige Stimme wirkte dünn und rau.
    Moakin stand mittlerweile in der Tür, griff an seinen Kopf, als wolle er die Mütze abnehmen und stellte sich dann hinter sie. Er summte mit, so gut er konnte.
    Auch, wenn sie den Halben nie gut gekannt hatte, so hatte sie ihn doch lange gekannt. Viele Bilder schossen ihr durch den Kopf, viele Versuche, seine Einsamkeit aufzubrechen, viele Enttäuschungen. Erst jetzt fühlte sie die Anstrengungen der letzten Wochen und gleichzeitig das Abfallen einer großen Last. Tränen füllten ihre Augen, ihr Kinn fing an zu zittern und ihre Stimme brach. Moakin verstummte auch.
    Da wurde der Gesang wie aus dem Nichts wieder aufgenommen, von einer Stimme, die nicht von dieser Welt zu stammen schien. Langsam trat eine große Gestalt unter dem Türrahmen hindurch.

Brief eines Toten
    (Brakenburg im Herbst)
    Es donnerte. Er riss die Augen auf. Zumindest versuchte er es, denn sein Linkes blieb geschlossen. Das Rechte öffnete sich zwar, wurde aber sofort mit Tränenflüssigkeit geflutet, sodass sich das einfallende Licht wie in einem Brennglas konzentrierte. Wieder donnerte es. Zittrig tastete er mit seiner Rechten die Umgebung ab - Holzboden. Er war in einem Haus, in einem
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