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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma
Autoren: Elizabeth Flock
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zu verwandeln.
    “Ich weiß nicht.”
    “Wie wär’s, wenn wir runter zum Zaun laufen und das Gleichgewichts-Dings machen?”
    Das Gleichgewichts-Dings ist etwas, was Emma und ich spielen, wenn uns total langweilig ist. Aber eigentlich macht es sogar Spaß. Die oberen Latten des Zauns, der unser Land früher von dem des Nachbarn abgrenzte, damals, als uns allen so etwas noch wichtig war, fehlen alle. Also balancieren Emma und ich auf den unteren Latten zwischen den Pfosten und sehen zu, wer es am längsten schafft, nicht herunterzufallen. Der Verlierer muss alles tun, was der Gewinner verlangt.
    “Ich fang’ an, du zählst.” Emma steht bereits auf der ersten Latte. Da ist es am leichtesten, das Holz ist so alt, dass es in der Mitte gespalten ist und somit mehr Platz bietet als der Rest. Verzwickter ist schon das neuere, das als nächstes kommt.
    “Los”, sage ich und beginne, laut zu zählen. Emma schafft es sogar ohne die Arme zur Seite auszubreiten, was mich irgendwie sauer macht. Und deswegen zähle ich langsam.
    “Du bist zu langsam!” ruft Emma. Sie konzentriert sich auf den nächsten Schritt, den sie machen will.
    Aber ich zähle trotzdem nicht schneller. Viel kann sie nicht dagegen tun, solange sie versucht, auf dem Zaun zu bleiben. Ich sage nicht nur leise das Wort
Mississippi
zwischen zwei Zahlen, wie es Mama früher immer beim Versteckspielen getan hat, ich buchstabiere es sogar, und somit dauert es doppelt so lange, bis ich zur nächsten Zahl komme.
    Sie ist auf der nächsten Latte und ich weiß jetzt schon, dass sie es nicht bis zwölf schaffen wird. Dieses Mal könnte ich sie sogar schlagen.
    Ja, schon ist es passiert. Sie ist vom Zaun gefallen.
    “Elf!” sage ich, als ich an ihr vorbeigehe und auf das erste Holz hüpfe.
    “Betrügerin. So langsam, wie du gezählt hast, habe ich sogar mein Haar wachsen hören”, brummt sie. Und bevor ich noch beweisen kann, dass ich die Königin des Holzzaunes bin, fügt sie hinzu: “Lass uns zu Forsyth rübergehen.”
    Forsyth Phillips ist eine Freundin von uns, die in dem Haus wohnt, das am nächsten an unserem liegt. Wenn das Haus der Phillips eine Blume wäre, dann eine Sonnenblume, warm und freundlich mit ganz vielen sauberen Fenstern und weißen Tischdecken für besondere Gelegenheiten.
    Bevor ich noch den Zaun erreiche, schießt Emma schon los.
    “Warte!” rufe ich ihr hinterher, aber es hat keinen Sinn. Ich muss mich beeilen, wenn ich sie noch einholen will.
    “Ja, aber hallo, Miss Parker.” Mrs. Phillips spricht so mit uns Kindern. Als ob wir genauso alt wären wie sie. “Forsyth ist oben. Kannst raufgehen.” Wieder einmal ist Emma lang vor mir angekommen.
    “Hey, Forsyth”, sage ich ganz atemlos, weil ich jeweils zwei Stufen auf einmal genommen habe.
    “Hey, Carrie”, antwortet sie. Emma hat sich bereits gegenüber von Forsyth hingesetzt, die auf ihrem Bett mit alten Karten spielt. Die Stoffe in ihrem Zimmer passen zusammen, Gänseblümchen auf himmelblauem Hintergrund sind auf den Vorhängen, auf einem Kissen darunter und überall auf ihrem schönen Bett. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es wohl ist, jede verflixte Nacht mit dem Kopf auf weichen Gänseblümchen einzuschlafen. Ich glaube, bei den Phillips’ hätte ich niemals Albträume.
    “Wollt ihr ein paar Pfannkuchen?” Mrs. Phillips streckt lächelnd den Kopf ins Zimmer. Die Schürze trägt sie wohl nur aus Spaß, denn ich habe noch nie einen Fleck darauf gesehen. “Kommt einfach runter, wenn ihr mögt, sie sind gerade fertig.”
    Mama hat uns keine Pfannkuchen mehr gebacken seit … nun, seit Ewigkeiten. Mrs. Phillips aber macht das so oft, dass Forsyth nicht mal von ihren Karten aufblickt, sie hat es nicht eilig, sie zu essen, während sie noch so lecker und heiß sind, dass die Schokolade in den Fingern schmilzt, die man dann hinterher noch abschlecken kann.
    “Willste nicht runtergehen und was essen?” frage ich sie. Bitte, Forsyth, sag’ ja.
    “Schon”, sagt sie, rührt sich aber nicht.
    “Was spielst du da?”
    “Karten, Dummerchen. Bist du blind?”
    Sie muss mit dem falschen Fuß aus ihrem Gänseblümchenbett aufgestanden sein.
    “Können wir mitspielen?”
    “Wir?”
    “Ich und Emma.”
    “Ich hab keine Lust mehr, mit Emma zu spielen”, seufzt sie. Das tut sie immer … sie will nicht mit meiner kleinen Schwester spielen, als ob sie eine große Plage wäre. Emma scheint das jedoch überhaupt nichts auszumachen, aber ich finde es unhöflich, ihr so
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