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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma
Autoren: Elizabeth Flock
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Kassierer, die Rechnung zu begleichen.
    “Was schulde ich vom letzten Mal?” fragte er.
    Delmer Posey besuchte früher meine Schule, hörte aber gleich nach der siebten Klasse auf. Niemand wusste, warum, bis er eines Tages in dem Lebensmittelladen auftauchte und nach Arbeit fragte. Mama sagte, die Poseys müssten den Riemen noch enger schnallen als wir, und deswegen hielt ich immer, wenn ich Delmer sah, Ausschau nach diesem Riemen.
    Delmer fuhr mit dem Finger über eine lange Namensliste in einem abgegriffenen Kontobuch, das hinter der Kasse aufbewahrt wurde. “Vierunddreißig fünfundsiebzig, Mr. Culver”, sagte er.
    Daddy stieß einen leisen Pfiff aus und zählte den Betrag mit dem zusammen, den wir gerade bezahlt hatten. “Hier ein Fünfer extra für’s Buch”, sagte er und lächelte den verwirrten Delmer an. “Schreib es einfach als Guthaben auf, damit Mrs. Culver jederzeit das einkaufen kann, was wir heute ganz bestimmt vergessen haben.”
    Immer wenn man was zu Delmer sagte, brauchte er eine oder zwei Minuten, bis er es begriffen hatte, als ob man eine fremde Sprache spräche und er auf jemanden wartete, der es ihm ins Englische übersetzte. Doch dann verstand er, was Daddy gesagt hatte, und wir schoben den Einkaufswagen zu der Glastür mit dem knallroten Exit-Schild darüber.
    “Könntest du kurz ein Auge darauf haben?” Daddy blinzelte Delmer zu. “Wir haben noch was bei White’s zu erledigen.”
    Mama und Daddy liefen Hand in Hand über den Gehweg zu White’s Drugstore. Es machte ihnen nie etwas aus, wenn ich vorausrannte und schon mal meine Bestellung abgab.
    “Hey, Miss Caroline”, rief Miss Mary, durch die Türglocke darauf aufmerksam geworden, dass jemand den Laden betreten hatte.
    “Hey, Miss Mary”, antwortete ich. “Kann ich eine
große
Orangeade haben, bitte?”
    Miss Mary legte ihr Taschenbuch so auf die Theke, dass die Seiten links und recht von der Mitte abgespreizt waren. “Warum denn nicht.” Sie watschelte zum Tresen. Miss Mary war immer schon dick. Dicker als dick. Daddy sagte immer, dass es so an ihr noch mehr Liebenswertes gäbe. Das Bimmeln zeigte an, dass Mama und Daddy in den Laden gekommen waren.
    “Miss Mary, wie geht es Ihnen?” fragte Daddy und setzte sich auf den Hocker neben mich. Mama blieb beim Shampooregal stehen. “Wenn das mal kein hübsches Kleid ist.”
    Doch das klang nicht nach einer Frage.
    “Danke Ihnen, Sir”, sagte Mary ein wenig scheu und lächelte so breit in sich hinein, dass ihre Wangen sich beinahe ganz über ihre Mundwinkel legten. “Ist Mrs. Culver auch hier?”
    “Ach, machen Sie sich über sie keine Gedanken”, sagte Daddy. “Sie und ich sollten zusammen weglaufen. Tun wir’s einfach.”
    “Ich bin hier drüben, Mary”, rief Mama aus dem einzigen Gang in dem Laden. “Ich suche noch ein paar Sachen, die wir brauchen. Ich komme gleich rüber.” Mama war es gewöhnt, dass Daddy Miss Mary bat, mit ihm davonzulaufen. Das tat er jedes Mal, wenn wir zu White’s gingen. Ich glaube, sie lächelte und errötete immer so sehr, weil niemand sonst sie das jemals gefragt hat. Sie ist ungefähr eine Million Jahre alt und lebt allein mit ihren beiden Katern und einem Hahn namens Joe.
    “Und was ist mit mir, Daddy?” fragte ich. “Nimmst du mich mit?”
    “Ich steck’ dich in meine Tasche.” Er beugte sich vor und küsste mich wie immer aufs Haar.
    “Für Sie auch Orangeade?” fragte Miss Mary lächelnd.
    “Auf jeden Fall.”
    Miss Mary schnitt eine Orange nach der anderen in der Mitte durch, bis zehn Hälften vor ihr lagen. Ich zählte jede einzelne. Dann – und das war immer der beste Teil – legte sie jede einzelne in die Presse, lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht darauf und drückte, bis kein einziger Tropfen mehr herauskam. Dann schüttete sie Zucker in das Gefäß, fügte ein wenig Wasser hinzu, drehte den Deckel zu und schüttelte alles gut durch, bis es sprudelte und schäumte. Die Gläser bewahrte sie im Kühlschrank auf, sodass ein hübscher Eisfilm auf ihnen lag. Bei White’s gab es biegsame Strohhalme, also musste ich das Glas nicht in die Hand nehmen, und genauso tranken Daddy und ich auch: ohne unserer Hände.
    Ping.
Ein weiterer Flaschenverschluss landet auf dem Küchentresen.
    “Was möchtest du jetzt machen?” fragt mich Emma. Sie lehnt an dem Verandagelände und zählt das
Ping
der Verschlüsse mit genau wie ich – beide fragen wir uns, wie viele es diesmal brauchen wird, um Richard in den Feind Nummer eins
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