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Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)

Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)

Titel: Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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PROLOG
    … und dem vollen und weißen und kalten Mond. Er sah die Schatten, die sich über dem eisverkrusteten Schnee verschoben und zitterten. Schwarz auf Weiß. Schwarzer Himmel, weißer Mond, schwarze Schatten, weißer Schnee. So weit das Auge reichte. Leere Weite, ohne Farben. Das einzige Geräusch war das pfeifende Stöhnen des Windes durch die nackten Bäume. Aber er wusste, er war nicht allein. Für ihn gab es kein Entkommen, keine Sicherheit, weder im Schwarzen noch im Weißen. Durch sein erfrorenes Herz brach sich ein dünner Strom heißer Angst. Sein Atem, schwer, erschöpft, kam in Stößen kleiner, weißer Wölkchen. Über den vereisten Boden fiel ein schwarzer Schatten. Es gab keinen Ort mehr, an den er flüchten konnte.
    H unter zog an seiner Zigarette und starrte durch die Rauchwolke auf die Worte auf dem Monitor. Michael Trent war tot. Hunter hatte ihn erschaffen, hatte ihn ausschließlich für diesen kalten mitleidslosen Tod unter dem Vollmond gestaltet. Hunter bedauerte es nicht, diesen Mann zu zerstören, den er gründlicher kannte als sich selbst.
    Er ließ das Kapitel hier enden. Die Einzelheiten von Michaels Mord überließ er der Vorstellungsgabe des Lesers. Die Atmosphäre war geschaffen, Geheimnisse angedeutet, das Verhängnis greifbar, aber nicht erklärt.
    Hunter wusste, diese Eigentümlichkeit seines Stils faszinierte und erregte seine Leser. Das genau war seine Absicht. Es stellte ihn zufrieden, was nicht häufig der Fall war.
    Schreibend schuf er das Furcht erregende, das den Atem nehmende Grauen, das Unaussprechliche. Hunter holte die schwärzesten Albträume der Menschen ans Licht und machte sie mit kühler Genauigkeit greifbar. Er machte das Unmögliche möglich, das Unheimliche alltäglich. Das Alltägliche wiederum kehrte er häufig zum fröstelnd Beängstigenden um.
    Wie ein Maler mit seiner Farbpalette, so ging er mit Worten um und gestaltete daraus Geschichten voller Farbe und Klarheit, die den Leser von der ersten Seite an fesselten. Er schrieb Horrorgeschichten, und er war außergewöhnlich erfolgreich.
    Seit fünf Jahren galt er als Meister seines Fachs. Ihm waren sechs Top-Bestseller gelungen, vier davon hatte er zu Drehbüchern für Spielfilme umgearbeitet. Die Kritiker schwärmten, die Verkaufszahlen stiegen, Fanpost aus der ganzen Welt überschüttete ihn. Hunter kümmerte es wenig. In erster Linie schrieb er für sich selbst, denn Geschichten erzählen, das konnte er am besten. Wenn er mit seinen Geschichten zusätzlich noch Leser unterhielt, war er zufrieden. Doch wäre er von den Lesern und Kritikern nicht so begeistert aufgenommen worden, er hätte trotzdem geschrieben.
    Er hatte seine Arbeit, er hatte sein Privatleben. Das waren die zwei entscheidenden Dinge in seinem Leben.
    Er selbst hielt sich nicht für einen Einsiedler, auch nicht für ungesellig. Er lebte ganz einfach das von ihm gewählte Leben. Vor sechs Jahren hatte er auch nicht anders gelebt, vor dem Ruhm, dem Erfolg, dem Geld.
    Hätte ihn jemand gefragt, ob die Folge von Bestsellern sein Leben geändert habe, hätte er geantwortet: Warum sollte es? Er war Schriftsteller gewesen, bevor „Was dem Teufel gebührt“ auf Platz eins der Bestsellerliste in THE NEW YORK TIMES geraten war. Er war immer noch Schriftsteller.
    Manche behaupteten, sein Lebensstil sei berechnend - er schaffe sich aus Kalkulation das Bild eines Sonderlings. Eine gute Werbung. Manche überlegten sogar öffentlich, ob er gar nicht existiere, nur das kluge Produkt der Fantasie eines Verlegers sei. Doch Hunter Brown besaß eine ausgeprägte Gleichgültigkeit allem Gerede gegenüber. Er hörte ausschließlich das, was er hören wollte, sah nur, was er sehen wollte, und erinnerte sich an alles.
    Er begann mit dem nächsten Kapitel. Das nächste Kapitel, dasnächste Wort, das nächste Buch, das war für ihn von viel größerer Bedeutung als jeder auf Mutmaßungen aufgebaute Zeitungsartikel.
    An diesem Tag arbeitete er sechs Stunden und hätte sicher noch zwei weitere schreiben können. Die Geschichte floss wie Eiswasser aus ihm, klar und kalt.
    Seine Finger, die jetzt auf der Tastatur des Computers lagen, waren auffallend schön – gebräunt, lang gliedrig und mit breiten Handflächen. Einem Betrachter könnte sich der Eindruck aufdrängen, mit diesen Händen würden Konzerte oder Gedichte erschaffen. Doch sie hielten schwarze Träume und Monster fest – nicht die mit den tropfenden Giftzähnen und der Schuppenhaut, sondern Monster, die
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