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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma
Autoren: Elizabeth Flock
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Paar, das gerade unsere Matratze begutachtet.
    Ich starre das kleine Mädchen böse an. Sie umklammert das Album.
    “Mama.” Ich zupfe an ihrem Kleid. “Mama? Warum darf ich es nicht behalten?”
    Sie wirbelt herum und fährt mich an: “Man darf nicht zu sehr an Dingen festhalten, Mädchen. Vergiss das nicht. Außerdem, sieh dich doch mal um. Das alles werden wir früher oder später verkaufen. Nichts wird übrig bleiben. Nichts.”
    “Aber …”
    Doch sie ist schon weg, zählt das Geld von dem verwahrlosten Mann ab, der bereits versucht, meine Matratze in seinem Pick-up zu verstauen. Er bindet sie mit einem Seil fest, weil heute ein windiger Tag ist.
    “Entschuldigen Sie, Ma’am”, ruft ein anderer Mann herüber.
    Ich folge mit meinen Augen seinem Finger, mit dem er wortlos auf ein Möbelstück deutet.
    Mama bleibt wie angewurzelt stehen, als sie sieht, was er meint. Mein Herzschlag setzt kurz aus, ich bin gespannt, was sie über Richards alten zerschlissenen Sessel sagen wird.
    Hinter dem Mann steht eine Frau mit strähnigem Haar und einem riesigen Bauch, ihr Kind wird wohl bald geboren werden. Mama betrachtet die beiden.
    “Wie viel, Ma’am?” fragt er dann doch, nachdem sie nichts sagt, sondern nur auf den Sessel starrt, in dem ihr Ehemann zu sitzen pflegte.
    “Ma’am?”
    “Fünf Dollar”, sage ich und schiebe mich an Mama vorbei.
    “Fünf?” Er schaut Mama fragend an. Sie ist stumm wie ein Fisch.
    “Ja, Sir”, erkläre ich. “Fünf Dollar. Keinen Penny weniger.”
    Er flüstert seiner Frau etwas zu, die schließlich das Geld aus ihrer Tasche fischt.
    “Hier, bitte.” Er reicht mir das Geld. “He, Walles! Komm, hilf mir mal bitte, ja?”
    Und da ist auch schon Walles vom Zebulon’s, er spaziert herein wie ein Cowboy, fängt meinen Blick auf und zwinkert mir ohne zu lächeln zu. Er packt die eine Seite des alten Trinkersessels, der neue Besitzer die andere, und dann verschwindet er für immer aus unserem Leben, das letzte Zeichen, das Richard hinterlassen hatte.
    “Man darf sich nicht zu sehr an Dinge klammern, Mama”, sage ich, stecke meine Hand in ihre, und zum ersten Mal, seit ich mich erinnern kann, hält sie sie fest. Nur eine Sekunde lang hält sie mich fest.
    Heute ist wieder Umzugstag, aber wir brauchen keine Kisten zu packen. Gott sei Dank.
    Mama sagt, das Geld aus dem Verkauf hat gerade so gereicht, um unseren alten Wagen reparieren zu lassen, der uns wegbringen soll, weg vom Haus Nummer zweiundzwanzig. Ich fand ja, das Auto war ganz in Ordnung, aber Mama hatte wohl die Nase voll, den Schlüssel immer zehn oder zwölf Mal drehen zu müssen, bevor der Motor ansprang. Außerdem muss es uns ja bis zu Oma bringen, und Mama sagt, sie will kein Risiko eingehen.
    “Ich seh’ mich noch mal kurz um, dann geht’s los”, sagt Mama. “Wenn du vorher noch etwas zu erledigen hast, dann tu das jetzt.”
    Da gibt es etwas.
    Inzwischen kenne ich jeden Ast, jeden Stein, jedes Loch im Boden des Pfads, der zu Mr. Wilson führt. Dieses Mal nehme ich mir vor, besonders nett zu Brownie zu sein, weil ich sie schließlich nie mehr wiedersehen werde.
    Aber sie will nichts mit mir zu tun haben. Sie wartet, bis ich vorbeigegangen bin und folgt mir dann in sicherem Abstand.
    “Mr. Wilson?” rufe ich.
    Ich weiß nicht, warum ich ihn immer rufe, wo er doch sowieso nie antwortet. Er geht davon aus, dass ich ihn auf jeden Fall finde, auch ohne wie eine Irre zu brüllen. Und er hat Recht.
    “Wir fahren”, sage ich, als ich auf die Veranda geklettert bin.
    “Das hab ich mir schon gedacht.” Er hält den Blick auf seine Schnitzerei gesenkt.
    Ich schaue mich um und versuche, mir diesen Ort, den ich nie mehr besuchen werde, einzuprägen.
    “Tja”, sage ich und verschiebe mein Gewicht von einem Bein aufs andere. “Dann geh ich jetzt wohl mal.”
    “Hier.” Er schnitzt noch ein letztes Mal an dem Stück Holz. “Nimm das mit.”
    Er hält mir seine geschlossene Hand hin, öffnet dann nacheinander die Finger. Als ich es nehme, weiß ich sofort, was es ist.
    “Hey!” Ich grinse. “Das sind Sie!”
    “Jawohl.” Er lehnt sich in dem ramponierten Stuhl zurück. “Das ist das Beste, was ich je geschnitzt habe.”
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, es reicht, ihn zu umarmen. Erst sieht er überrascht aus, aber dann klopft er mir auf den Rücken.
    “Du solltest jetzt los, solange die Sonne noch nicht untergegangen ist.”
    “Wiedersehen, Mr. Wilson.”
    “Wiedersehen, kleine Memme.”
    Er kann es
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