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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma
Autoren: Elizabeth Flock
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weit treibst. Das ist nicht richtig. Es ist nicht richtig, sich einen Menschen einzubilden. Du hast immerzu von ihr erzählt – ich konnte es nicht ertragen. Immer und immer wieder. Emma hier und Emma da.
Emma mag keine Erbsen, Mama. Emma will neben dir im Auto sitzen, Mama. Emma will in dein Bett.
Ständig ging das so. Und das ist nicht richtig, hörst du?”
    Eine Tür öffnet und schließt sich wieder.
    “Bitte sehr.” Vor meinem Gesicht taucht eine Faust voller Taschentücher auf. “Atme ganz tief, Caroline. Atme. Sehr schön. Und jetzt putz dir die Nase, Liebes. Braves Mädchen.”
    Es ist nicht leicht, genug Luft zu bekommen.
    “Na, na. Komm, nimm noch ein Taschentuch”, sagt der Sheriff.
    “Andauernd ging das so, Emma hier und Emma da. Und es wurde immer schlimmer. Schlimmer und schlimmer und
schlimmer.”
    “Mrs. Parker …”
    “
Emma versteht nicht, warum du sie nicht magst, Mama
…”
    “Mrs. Parker …”
    “Und jetzt weißt du, warum ich sie nicht mag!” Mama beugt sich zu mir und schleudert mir die Worte ins Gesicht. “Ich mag sie nicht,
weil es sie nicht gibt!
Da! Jetzt ist es raus. Kein Grund mehr, um den heißen Brei herumzureden. Ich mag sie nicht, weil sie nicht existiert!”
    Ich ersticke fast an ihren Worten. “Du hast sie nicht gemocht, weil sie wie Daddy aussah! Und weil sie die einzige war, die gesehen hat, wie Daddy starb, und daran hat sie dich immer erinnert!”
    “
Du
hast gesehen, wie dein Daddy starb!” faucht sie. “Du hast das alles gesehen! Es war an einem Samstag. Ich war draußen und hängte die Wäsche auf, und dieser Mann kam ins Haus …”
    “Hör auf!” Ich halte mir wieder die Ohren zu, aber das nützt nichts. Ich kann die Bilder nicht mehr aufhalten. Ein Mann mit einem Jagdgewehr. Ein sonniger Tag. Mama hängt die nasse Wäsche auf.
    “Mrs. Parker …”
    “Dein Daddy hat sich so gut es ging gewehrt …”
    “Hör auf!” kreische ich und mache die Augen zu, damit ich ihre wütenden Lippen nicht länger sehen muss.
    “ … dann hat er ihn erschossen …”
    “Mrs. Parker!”
    “Man hatte ihn gewarnt, sich von Selma Blake fernzuhalten.”
    “Hör auf!” Ich brülle aus voller Kehle. “Hör auf hör auf hör auf!”
    “Und dann haben alle sich eingemischt, tu dies, tu das,
nimm dein Schicksal an
, sagten sie.” Sie läuft auf und ab. “Das hat mich zermürbt. Deine Lehrer …”
    “Stopp!”
    “ … alle Leute im Ort …”
    “Mrs. Parker …”
    “Jeder in diesem gottverdammten Kaff dachte, du wärst verrückt …”
    “Das reicht jetzt, Mrs. Parker. Das reicht. Wir lassen Carrie einen Moment allein, sie und ich holen uns eine Tasse Kaffee. Wir sind gleich zurück, Kleines. Gleich zurück, hörst du?”
    Die Tür fällt hinter ihnen zu.
    Aber nicht ganz, denn ich höre ihre Worte immer noch. “Ihre Freunde haben sich von ihr zurückgezogen, wollten nicht mehr mit ihr spielen, gaben ihr hässliche Spitznamen. Sie denkt, dass ich das nicht weiß, aber, Himmel, so daneben war ich auch nicht, um nicht zu bemerken, dass meine Tochter völlig verrückt ist. Ihre beste Freundin durfte nicht mehr zu uns rüberkommen. Ihre Mutter rief mich an und sagte, Carrie dürfe zu ihnen ins Haus kommen,
wo man ein Auge auf sie haben könne.
Als ob das alles
mein
Fehler wäre, dieser Irrsinn mit Emma. Nach dem Motto, wenn ich auf meine Tochter besser aufgepasst hätte … Na ja, diese Frau hat sich immer für was Besseres gehalten, wenn Sie wissen, was ich meine …”
    Nein!
    “Dann hat sie sich einen Job gesucht. Hat im White’s Drugstore Kisten ausgepackt. Der Inhaber hat mich angerufen und mit mir über meine eigene Tochter gesprochen. ’Sag mal Lib’, meinte er, was hältst du denn von dieser Emma-Geschichte. Ich weiß nicht, ob das
gesund
ist, wenn wir da mitmachen.’ Als ob ich das nicht selbst gewusst hätte! Ich fand das nie richtig, aber nein, diese hochnäsige Psychologin oder was immer zum Teufel sie war, sagte, es
wäre
gesund, dass wir da mitspielen sollten …”
    Nein. Ich weiß doch noch genau, wie Mr. White sagte, er würde sich sehr freuen, wenn Emma mit den Kisten helfen würde. Und Miss Mary hat Emma geliebt. Hat ihr das Haar zerzaust und so was alles.
    Emma war da. Sie war
echt.
Emma war doch diejenige, die mich zur Seite geschoben hat, wenn Richard mich aus seinem Schlafzimmer gerufen hat.
Emma
hat das alles angetan.
    Nein.
    “Na du, meine Kleine.” Der Sheriff lächelt, als wolle er damit Mamas finsteren Blick wieder gutmachen.
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