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Gesprengte Ketten

Gesprengte Ketten

Titel: Gesprengte Ketten
Autoren: Jessica Stein
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Dr. Julian Marquard wurde vom schrillen Läuten des Telefons aus tiefem Schlaf geschreckt. Ohne das Licht einzuschalten, tastete er nach dem Telefon und hob den Hörer ab. "Marquard", meldete er sich verschlafen.
    "Bitte kommen Sie sofort, Herr Doktor. Meine Frau hat einen schweren Asthmaanfall."
    Im Schlafzimmer ging das Licht an.
    Dr. Marquard bemerkte, wie sich seine Frau im Nebenbett aufrichtete. "Wer spricht denn dort?", erkundigte er sich und schwang die Beine über den Bettrand.
    "Entschuldigen Sie, Herr Doktor. Hier ist Tobias Bauer vom Fürstenhof. Ich würde Sie nicht mitten in der Nacht stören, wenn es meiner Frau nicht wirklich schlecht ginge."
    "Ich bin so schnell es geht bei Ihnen, Herr Bauer", versprach der Arzt.
    "Kann ich dir etwas helfen, Julian?", fragte Laura Marquard. Sie wollte aufstehen.
    "Nein, bleibt liegen, Liebling." Julian eilte ins Bad. Gleich darauf kam er heraus, schlüpfte eilig in seine Kleidung und öffnete die Schlafzimmertür.
    Amos, ein fast zweijähriger brauner Mischlingshund mit Schlappohren, der in seinem Körbchen am Fuß der Treppe g eschlafen hatte, rannte ihm entgegen. Schwanzwedelnd schaute er verlangend zu ihm auf.
    "Nein, Amos, wir gehen nicht Gassi", sagte Dr. Marquard und ei lte die Treppe hinunter.
    Amos folgte ihm. Er setzte sich direkt neben die Haustür.
    Dr. Marquard holte seine Tasche aus dem Arbeitszimmer. "Amos, ich kann dich nicht mitnehmen." Er wies zum Korb. "Ab mit dir! Schlaf noch eine Runde! Sei froh, dass du es kannst."
    Amos warf ihm einen Blick zu, der Bände sprach, drehte sich herum und trottete demonstrativ langsam zu seinem Korb. Mit einem gewaltigen 'Pumps' ließ er sich hineinfallen. Als sich die Haustür hinter seinem Herrchen schloss, seufzte er so tief auf, als sei ihm ein gewaltiges Unrecht zugefügt worden.
    Dr. Julian Marquard stellte die Arzttasche auf den Rücksitz seines Wagens und fuhr ihn aus der Garage. Gleich darauf bog er in die Straße ein. Seit dem Anruf von Tobias Bauer waren keine zehn Minuten vergangen.
    Der Fürstenhof lag einen Kilometer von Burghausen entfernt. Die Bauers gehörten seit einem halben Jahr zu seinen Patienten. Sie waren ihm treu geblieben, als er vor vierzehn Tagen seine alte Praxis in Ried, einem kleinen Dorf, zu dem der Fürstenhof gehö rte, aufgegeben hatte und in das Ärztehaus am Schlosspark von Burghausen umgezogen war. Agnes Bauer litt seit dreißig Jahren an Asthma. Bis vor drei Monaten hatte sie nur selten Beschwerden gehabt, nun häuften sie sich. Ihre Asthmaanfälle wurden von Mal zu Mal heftiger.
    Julian mochte die Bauers und er bewunderte, wie sie sich trotz ihres Alters bemühten, ihren Hof in Schuss zu halten. Die Vie hzucht hatten sie allerdings schon vor Jahren aufgegeben, als sich ihr Sohn entschlossen hatte, in die Industrie zu gehen. Sie hatten noch ein paar Hühner, eine Kuh und etwas Landwirtschaft. Daneben betreute Agnes Bauer auch noch den großen Gemüsegarten. Hilfe hatten sie nur selten. Sie hätten sich das Leben einfacher machen können, wenn sie den Hof verkauft hätten und in die Stadt gezogen wären, doch das wollten sie nicht.
    Dr. Marquard hatte die Stadt verlassen und fuhr auf der Bu ndesstraße. Um ihn herum erwachte das Leben. Durch die offenen Fenster seines Wagens hörte er die Vögel zwitschern. Von Sekunde zu Sekunde wurde es heller.
    Links der Straße führte ein holpriger Fahrweg zum Fürstenhof. Gleich darauf hielt er vor dem alten Bauernhaus. Irgendwo bellte ein Hund.
    Der Arzt war noch nicht aus seinem Wagen gestiegen, als sich auch schon die Haustür öffnete. Tobias Bauer eilte ihm entgegen. Über seinen Schlafanzug hatte er eine graue Hose gezogen. "Gut, dass Sie so schnell hier sind, Herr Doktor", sagte er. "Agnes keucht und keucht... Ich kann ihr einfach nicht helfen."
    "Keine Angst, Herr Bauer, Ihrer Frau wird es gleich besser g ehen", versprach Julian und eilte die ausgetretenen Stufen zum Schlafzimmer im ersten Stock hinauf. Schon im Korridor hörte er die gequälten, keuchenden Atemzüge der Kranken.
    Agnes Bauer saß um Luft kämpfend in ihrem Bett. Hinter ihr hatte Tobias Bauer alle Kissen aufgeschichtet, deren er habhaft geworden war. Die Bäuerin hatte eine Hand auf ihren Halsansatz gepresst. Ihr Gesicht war so bleich, dass man unter der Haut deu tlich die Adern erkennen konnte. In ihren Augen stand eine entsetzliche Angst. Gerade diese Angst war es, die ihr das Atemholen noch erschwerte.
    "Ich kann nicht mehr, Herr Doktor", stammelte sie zwischen
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