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Gesprengte Ketten

Gesprengte Ketten

Titel: Gesprengte Ketten
Autoren: Jessica Stein
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wenig hinlegen?", fragte sie. "Eine halbe Stunde hättest du noch Zeit. Ich bringe dir den Kaffee nach oben."
    Julian Marquard schüttelte den Kopf. "Nein, ich bleibe auf", entschied er auf dem Weg in die Küche. "Ich werde eine Tasse Kaffee trinken, dann einen ausgiebigen Spaziergang mit Amos machen und danach duschen." Er blickte die Treppe hinauf. "Schlafen die Kinder noch?"
    "Marie Lara ist vorhin kurz aufgewacht", erwiderte Laura. "Inzwischen ist sie wieder eingeschlafen. Sophie schläft auch noch. Ich werde sie um halb sieben wecken."
    Sie setzte sich zu ihrem Mann an den Tisch und schenkte für ihn und sich Kaffee ein.
    Keine fünfzehn Minuten später verließ Julian Marquard mit Amos das Haus. Da ihr Grundstück direkt an Obstwiesen und Felder grenzte, konnte er Amos ohne Leine laufen lassen. Er fühlte einen unendlichen Frieden in sich. Um ihn herum war noch alles ruhig, über ihm dehnte sich ein fast wolkenloser Himmel. Es hatte ihm noch nie etwas ausgemacht, mit seinem Hund in aller Frühe spazieren zu gehen.
    "Wir sind zu beneiden, Amos", sagte er, beugte sich hinunter, hob einen Stock auf und warf ihn weit in eine Wiese hinein. Wie ein Pfeil jagte Amos kläffend dem Stock nach.
    * * *
    Laura Ravens warf einen Blick auf die Nachttischuhr. Es war bereits sechs Uhr fünfzehn, allerhöchste Zeit endlich aufzustehen. Ihr Wecker hatte wie jeden Morgen um dreiviertel sechs gekli ngelt, aber sie war noch so müde gewesen, dass sie beschlossen hatte, noch ein paar Minuten liegen zu bleiben.
    Noch fünf Minuten, dachte die junge Frau, nur noch fünf M inuten. Sie wollte sich schon zur Seite drehen, als sie sich einen Ruck gab und sich aufrichtete. Es hatte keinen Sinn, noch weitere fünf Minuten liegen zu bleiben. Ihr fehlte bereits eine halbe Stunde. Müde schlüpfte sie in ihre Pantoffeln und ging ins Bad. Als sie einen flüchtigen Blick in den Spiegel warf, stellte sie fest, wie bleich ihre Haut wirkte und wie stumpf ihre halblangen, blonden Haare. Auch ihre blauen Augen schienen jeden Glanz verloren zu haben. Sie war erst zweiundzwanzig, doch an diesem Morgen hätte man sie um Jahre älter schätzen können.
    Laura trat eilig unter die Dusche. Danach fühlte sie sich besser. Ihr Gesicht wirkte nicht mehr so abgespannt. Sie legte etwas Make up auf, was sie nur selten tat.
    "Laura, bist du im Bad?" Charlotte Ravens klopfte heftig gegen die Tür. "Beeil dich, ich muss zur Schule."
    "Vor sieben Uhr dreißig wirst du nicht abgeholt, Charlotte", antwortete die junge Frau ihrer sechzehnjährigen Schwester und trat aus dem Bad. "Guten Morgen."
    "Guten Morgen", brummte Charlotte vor sich hin und schloss die Tür hinter sich.
    Laura warf einen Blick zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Sie hoffte, dass sie noch eine Weile schlafen würden, sodass sie in Ruhe das Frühstück zubereiten konnte.
    Eine Hand am Geländer stieg die junge Frau die Treppe hinunter. Kurz vor der letzten Stufe wurde ihr schwindlig. Sie blieb stehen und wartete, bis das Schwindelgefühl verging. Was kann das nur sein, dachte sie und fasste sich an die Stirn. Ein dumpfer Schmerz schien ihren Kopf völlig auszufüllen. Sie zwinkerte mit den Augen, der Schmerz blieb.
    Während der vergangenen Wochen hatte Laura die verschi edensten Ärzte aufgesucht. Keiner hatte ihr helfen können. Es waren ja nicht nur diese Kopfschmerzen und Schwindelanfälle, die sie plagten, sondern sie litt auch noch unter anderen Beschwerden und unerklärlichen Schmerzen. Zwei, drei der Ärzte hatten durchblicken lassen, dass sie sie für eine Hypochonderin hielten. Eine Meinung, die sie mit ihrer Familie teilten.
    Vielleicht kann mir Doktor Marquard helfen, dachte Laura, während sie die Kaffeemaschine einschaltete. Sie hatte um zehn Uhr einen Termin bei ihm.
    Die Kopfschmerzen wurden schlimmer. Laura versuchte, sie zu ignorieren. Sie deckte den Tisch, schnitt Brot und füllte eine Schale mit Frühstücksflocken. Es war zwar nicht die Sorte, die Charlotte bevorzugte, doch sie hoffte, dass ihre Schwester sie dennoch essen würde.
    'Deine Schwester könnte sich frühmorgens auch allein ihr Frühstück machen', hatte Jannic Eckstein erst vor zwei Tagen zu ihr gesagt. 'Charlotte ist alt genug, um sich nicht wie ein kleines Kind von vorn bis hinten bedienen zu lassen.'
    Natürlich hatte Jannic darin recht. Mit ihren sechzehn Jahren hätte Charlotte längst einige Pflichten im Haushalt übernehmen können. Ihre Schwester dachte nicht daran, zumal sie darin noch von den Eltern
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