Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch
Autoren: David Sedaris
Vom Netzwerk:
das Zeug hält. Mein Gott, was gäbe ich für so eine Familie. Ihr solltet wirklich eine Band aufmachen.«
    Meine Schwester Lisa spuckte einen Mundvoll Zitronensprudel durch den Wagen.
    »Nein, ganz im Ernst«, sagte mein Vater. »Ihr braucht nur ein paar Instrumente und Stunden, und ich schwöre bei Gott, ihr geht ab wie 'ne Rakete. « Insgeheim hofften wir, es wäre eine seiner FünfMinuten-Ideen, doch als wir zu Hause eintrafen, glänzten seine Augen immer noch. »Genau das ist es«, sagte er. »Wieso bin ich nicht früher drauf gekommen. «
    Am nächsten Nachmittag kaufte er einen Stutzflügel. Er war gebraucht, machte aber selbst in einem Zimmer mit Linoleumfliesen noch einiges her. Wir hämmerten abwechselnd auf den Tasten herum, doch sobald der Reiz des Neuen verflogen war, wurde er mit Hilfe von Sofakissen in ein Fort verwandelt. Das Klavier blieb in seiner eigentlichen Bestimmung ungenutzt, bis mein Vater Gretchen für ein paar Unterrichtsstunden anmeldete. Sie hatte nie großes Interesse an dem Ding bekundet, sondern war allein deshalb auserkoren worden, weil sie, mit ihren zehn Jahren, nach Ansicht unseres Vaters die künstlerischsten Finger besaß. Nachdem man Lisa mit einer Flöte bedacht hatte, entdeckte ich eines Abends, nach der Rückkehr vom Pfadfindertreffen, an das Aquarium in meinem Zimmer gelehnt mein Instrument.
    »Halt dich fest«, sagte mein Vater. »Hier ist die Gitarre, die du schon immer haben wolltest. «
    Zweifellos hatte er mich mit irgendwem verwechselt. Ich hatte zwar wiederholt den Wunsch nach einem Marken-Staubsauger geäußert, nie aber auch nur ein Wort über eine Gitarre verloren. Das Gerät sprach mich nicht im Entferntesten an, nicht einmal auf ästhetischer Ebene. Ich konnte schließlich auch nichts dafür, wenn das Instrument so gar nicht zum nautischen Thema meiner Zimmereinrichtung passen wollte. Ein Anker, ja. Eine Gitarre, nein. Seinem Wunsch, so richtig loszufetzen, kam ich gerne dadurch nach, dass ich das Teil in meinen Schrank fetzte, wo es blieb, bis mein Vater mich für ein paar Einzelstunden in einem Musikgeschäft im kürzlich eröffneten North Hills Mall anmeldete. Ich wehrte mich mit allen Mitteln und schützte selbst noch auf dem Weg zum ersten Termin massive Übelkeit vor.
    »Aber ich bin krank«, brüllte ich, während ich ihn vom Parkplatz brausen sah. »Ich habe einen Virus, und obendrein will ich kein Musikinstrument erlernen, falls du das noch nicht kapiert hast«
    Nachdem klar war, dass er nicht umkehren würde, schleppte ich meine Gitarre in den Musikladen, dessen Besitzer mich zu meinem Lehrer brachte, einem kauzigen, in sich selbst versunkenen Gnom namens Mister Mancini. Da ich, gerade zwölf, ziemlich schmächtig für mein Alter war, fand ich es reichlich seltsam, in einem fensterlosen Raum mit einem Mann eingesperrt zu sein, der mir gerade bis zur Brust reichte. Ich kannte Zwerge nur vom Zirkus und unterdrückte zwanghaft die Sätze, die zu Hause häufig im Zusammenhang mit meinem einjährigen Bruder fielen. Instinktiv wollte ich mich über seine winzigen, perfekt geschwungenen Fingernägel auslassen oder fragen, ob er nachts schon durchschliefe. Irgendwie gehörte es sich nicht, dass ich größer als mein Lehrer war, aber ich behielt die Beobachtung für mich und sagte nur: »Mein Vater hat mir das eingebrockt. Es war allein seine Idee. «
    Als jemand, der großen Wert auf sein Äußeres legte, aber in der modischen Diaspora gelandet war, trug Mister Mancini Kleidung, die ich aus der Kinder-Abteilung bei Hudson Belk kannte. An manchen Nachmittagen bevorzugte er Button-down-Hemden mit Ansteckfliege, an anderen empfing er mich in Schlaghose und lässigem Stehbundpullover, mehrere bunte Perlenketten um den Hals geschlungen. Seine Arme waren männlich und mit dichtem schwarzen Haar überzogen, doch seine Stimme klang dünn und piepsig, als würde sie zu schnell von einem Band abgespielt.
    Er war kein echter Zwerg, aber ohne Frage ein ziemlicher Knirps. Mein Staunen war ebenso schamlos wie unwillkommen, allerdings nichts, was er nicht schon hunderttausendmal erlebt hätte. Er gab mir nicht die Hand, sondern steckte sich bloß eine Zigarette an und griff nach einem Schneckenhaus, das ihm als Aschenbecher diente. Wie mein Vater ging Mister Mancini davon aus, dass jeder Gitarre spielen lernen konnte. Er hatte es sich während eines einzigen Sommers in, wie er es nannte, »Hotlanta, G. A. « beigebracht. Ich wusste, dies war die scharfe Bezeichnung für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher