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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch
Autoren: David Sedaris
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wussten die schon von diesem Menschen? Ich war es, der ihm die Zigaretten ansteckte und zuhörte, wie er gegen den Erfolg von Schmalzlocken wie Glen Campbell und Bobby Goldsboro vom Leder zog. Ich war es, der auch nach sechs harten Unterrichtswochen immer noch mit Yellow Bird kämpfte. Wenn hier jemand das Recht hatte, ihn hochzunehmen, dann ja wohl zuallererst ich.
    Bislang hatte ich Mister Mancini immer für einen Aufschneider, einen Westentaschenplayboy gehalten, aber zu beobachten, wie er seinen Hamburger in einen armseligen Klecks Mayonnaise tunkte, weitete mein Blickfeld und ließ mich den zwergenhaften Außenseiter und seltsamen Kauz erkennen, der durch seine kompromisslose Haltung ins Abseits geraten war. Dies war eine Rolle, mit der ich selbst einige Erfahrung hatte: der Unangepasste, der Rebell. Mir ging auf, dass er und ich, einmal abgesehen von der Gitarre, tatsächlich manches gemeinsam hatten. Wir waren beide Männer, die im Körper eines Knaben eingesperrt waren. Jeder von uns besaß sein eigenes Talent, und beide hassten wir zwölfjährige Jungen, eine demographische Gruppe, deren Grausamkeit unübertroffen war. Alles in allem betrachtet, sprach nichts dagegen, in ihm nicht den Lehrer, sondern den künstlerischen Weggefährten zu sehen. Vielleicht konnten wir dann den Hokuspokus mit Joan fallen lassen und uns ernstlich an die Arbeit machen. Wenn sich die Dinge so entwickelten, wie ich mir das vorstellen würde, würde ich eines Tages in Interviews sagen, mein Begleitmusiker sei beides, mein bester Freund und ein Zwerg.
    Zu meiner nächsten Unterrichtsstunde erschien ich nicht nur mit Krawatte, sondern rückte auch bei der Frage nach dem Üben unbefangen mit der Wahrheit heraus und erklärte selbstsicher, ich hätte die Gitarre seit unserer letzten Zusammenkunft nicht mehr angerührt. Ich erzählte ihm, Joan sei der Name meiner Cousine und ich hätte keine Ahnung, wie gut bestückt sie sei.
    »Schon okay«, sagte Mister Mancini. »Du kannst deine Gitarre nennen, wie du willst, solange du nur nicht vergisst zu üben. «
    Mit zitternder Stimme erklärte ich ihm, ich hätte nicht das leiseste Interesse, dieses Instrument je zu beherrschen. Was ich wirklich wollte, sei, wie Billie Holiday zu singen. »Vor allem Werbejingles, aber nicht für irgendwelche Banken oder Automarken, weil die meistens mit Chor-Arrangements arbeiten. «
    Das Gesicht meines Lehrers erbleichte.
    Ich fuhr fort, ich hätte ein Programm zusammengestellt und sei auf der Suche nach einem Begleitmusiker. Ob er die Melodie der neuen Sara-Lee-Werbung kenne?
    »Das soll wohl ein Witz sein?« Er war nicht wütend, nur ziemlich durcheinander.
    Ich war mir sicher, er log, als er sagte, er kenne die Melodie nicht. Doublemint Kaugummi, Ritz Cracker, die Erkennungsmelodie von Alka Seltzer und Bauknecht Elektrogeräte allesamt Fehlanzeige. Ich wusste, ihm vorzusingen würde verrückt klingen, aber größer als mein Bammel war die Hoffnung, ihn von dem zu überzeugen, was in meinen Augen mein einziges Talent war, die einzige Form einer musikalischen Darbietung, die ich je hinkriegen würde. Ich sang einfach a cappella den neuesten Oscar-MayerWerbesong und hoffte, er würde mit einsteigen, sobald der Funke auf ihn übersprang. Mir war klar, wie bescheuert ich aussah, aber um in die richtige Stimmung zu kommen, musste ich seine Anwesenheit vergessen und so singen wie daheim in meinem Zimmer, mit zusammengekniffenen Augen und leblos herabhängenden Händen.
    Ich sang, dass meine Wurst einen Vornamen habe. Ich fügte an, dass meine Wurst einen Nachnamen habe.
    Und schloss: » Und fragt man mich, was ich gern mag, Sag ich, ich esse Tag für Tag Feinste Wurst von Os-carrr May-errr. « Als ich mit meiner Nummer fertig war, glaubte ich, er würde die Gelegenheit zu einem Applaus nutzen oder sich vielleicht sogar dafür entschuldigen, mich unterschätzt zu haben. Selbst ein verstohlenes Schmunzeln wäre akzeptabel gewesen, aber stattdessen hob er bloß abwehrend die Hand, wie um ein heranbrausendes Auto zu stoppen. »Lass gut sein, Kumpel«, sagte er. »Ich habe mit dieser Szene nichts am Hut. « Szene? Was für eine Szene? Ich dachte, ich wäre einmalig.
    »Spinner wie dich gab's damals in Atlanta jede Menge, aber ich tick nicht so verstehst du? Vielleicht ist es dein Ding oder was auch immer, jedenfalls kannst du mich definitiv von der Liste streichen. « Er griff nach seinem Schneckenhaus und drückte seine Zigarette darin aus. »Und jetzt Schluss damit.
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