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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch
Autoren: David Sedaris
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Atlanta, Georgia. »Also das«, sagte er, »ist wirklich 'ne klasse Stadt, wenn man weiß, wo's abgeht. « Er schnappte sich seine Gitarre und fing an, sie zu stimmen, indem er seinen Kopf ganz nahe an die Saiten hielt. »Ich sag's dir, mein Junge, die Mädels unten in Peachtree sind rund um die Uhr heiß. «
    Er erwähnte eine Frau namens Beth und erklärte: »Nachdem sie die fertig hatten, haben sie die Gussform weggeworfen und die Fabrik dichtgemacht, na, du weißt schon. «
    Ich nickte, obwohl ich keinen Schimmer hatte, wovon er redete.
    »Sie war keine große Köchin, aber egal, warum sonst hat der liebe Gott wohl das TV-Dinner erfunden. « Er lachte über seinen eigenen kleinen Scherz und wiederholte die Tiefkühlkost-Pointe, als wolle er sie später in einer Comedy-Show verwenden, »Gott hat das TV-Dinner erfunden, hey, das ist gut. « Wie er mir erklärte, hatte er seine Gitarre nach Beth benannt: »Jetzt krieg ich meine Finger gar nicht mehr los von ihr!« sagte er. »Aber im Ernst, es hilft, wenn man seinem Instrument einen Namen gibt. Welcher Name schwebt dir denn vor?«
    »Vielleicht nenn ich sie Oliver«, sagte ich. Der Name fiel mir spontan ein, weil mein Hamster so hieß. Andererseits, vielleicht auch nicht.
    »Oliver?« Sichtlich enttäuscht von meinem Vorschlag setzte Mister Mancini die Gitarre auf den Boden. »Oliver? Was ist das denn für ein blöder Name? Wenn du wirklich mit Hingabe Gitarre spielen willst, musst du ihr einen Mädchennamen geben, nicht den eines Jungen. «
    »Ach so, klar doch«, sagte ich. »Joan. Ich nenn sie Joan. «
    »Na, dann erzähl mal was von Joan«, sagte er. »Ist sie was ganz Besonderes?«
    Joan hieß eine meiner Cousinen, aber es erschien mir wenig ratsam, mit dieser Information herauszurücken. »Aber sicher«, sagte ich, »Joan ist einfach... toll. Sie ist groß und... « Bei dem Wort groß überkam mich ein schlechtes Gewissen, so dass ich es schleunigst zurückzunehmen versuchte. »Also, sie ist klein und hat braune Haare und alles. «
    »Ist sie gut bestückt?«
    Die Brüste meiner Cousine waren mir nie aufgefallen, und erst kürzlich hatte ich bemerkt, dass ich mich nie für irgendwelche Brüste interessiert hatte, es sei denn, sie waren wie die unserer Haushälterin so riesig, dass sie wie eine Missbildung aussahen. »Bestückt? Ja sicher«, sagte ich. »Sie ist reichlich bestückt. « Ich befürchtete schon, er werde um eine genauere Beschreibung bitten, als er zu meiner Erleichterung durch den Raum schritt und Beth aus ihrem Koffer nahm. Er erklärte mir, ein Gitarreschüler brauche jede Menge Disziplin. Talent war wichtig, aber die Zeit hatte ihn gelehrt, dass Talent äußerst spärlich gesät war. »Ich hab welches«, sagte er, »aber es wurde mir schon bei der Geburt mitgegeben. Es ist ein Geschenk Gottes, und diejenigen unter uns, die es besitzen, sind ganz besondere Menschen. «
    Er schien zu wissen, dass ich keine Ausnahme, sondern bloße Dutzendware war, lediglich ein Junge mehr, dessen Vater sich was vormachte.
    »Hast du ein Gefühl die Gitarre? Hast du irgendeine Vorstellung davon, was dieses kleine Baby alles draufhat?« Ohne meine Antwort abzuwarten, kletterte er auf seinen Hocker und fing an, Light My Fire zu spielen, das er mit den Worten ankündigte: »Das hier ist für Joan. «
    »You know that I would be untrue«, sang er, »you know that I would be a liar. « Die aktuelle Hit-Version des Songs stammte von Jose Feliciano, einem blinden Sänger, dessen wehmütige Stimme viel besser zum Text passte als die von Jim Morrison, der für meinen Geschmack viel zu großkotzig und affektiert sang. Jose Feliciano, Jim Morrison, und jetzt auch noch Mister Mancini, der zwar wunderbar spielte, Light My Fire aber so sang, als würde ein Jung-Pfadfinder nach einem Streichholz fragen. Nachdem er seine Eröffnungsnummer beendet hatte, bedankte er sich mit einem Kopfnicken für meinen Applaus, um sein Programm mit unnachahmlichen und zutiefst verstörenden Versionen von The Girl from Ipanema und Little Green Apples fortzusetzen, während ich gebannt auf meinem Stuhl saß und mir krampfhaft ein falsches Lächeln abrang, das meine untere Gesichtshälfte völlig taub werden ließ.
    Meine Fingernägel waren gute fünf Zentimeter gewachsen, als er endlich die letzte Note anschlug und mich näher rücken ließ, um mir ein paar einfache Akkorde zu zeigen. Zuletzt drückte er mir noch ein halbes Dutzend purpurfarbener Matrizenabzüge in die Hand, von denen wir beide
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