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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
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Zimmer zu kommen, zur Astra-Pils-Kiste. Er stimmte zu und folgte mir.
    Dann saßen wir auf meinem Bett und der Alte stellte sich vor: "Du weißt, wer ich bin: Ich bin Gott." Er setzte seine Schnapsflasche an die Lippen und Flasche und Mensch verschmolzen zur Einheit Alkoholiker.
    "Ja, das weiß ich." Fünf Tage Hamburg-Altona mit Astra-Pils- Konsum im unansehnlichen Einzelzimmer machten sich auch in meinen Hirnwindungen bemerkbar. Dann schwiegen wir, und Gott und ich tranken einige Flaschen Bier, machten den Fernseher an, wieder aus, tranken noch mehr Bier, machten den Fernseher an, wieder aus und nochmal an, und dann schlief ich auf dem Fußboden ein. Ich musste ein wenig weniger an sie denken, und dann wachte ich auf und musste an sie denken, Gott lag auf meinem Bett und der Fernseher sagte: "Also haben Sie die Nachricht empfangen!" Schon wieder ein Richter, und ein Angeklagter sagte darauf: "Nein, ich habe die Nachricht nicht empfangen." Der Richter erwiderte: "Wer soll sie denn sonst empfangen haben, der liebe Gott etwa?" Ich machte den Fernseher aus und stand auf, das Fenster war geschlossen und der Verkehr wie eh und je laut und unnachgiebig. Dann rüttelte ich an Gottes Schulter, um ihn zu wecken. Keine Regung. Ich rüttelte ihn etwas heftiger, wollte, dass er erwachte. Nichts. Gott war gestorben. Einfach so. In meinem Hotelzimmer, Zimmer 308, in Hamburg-Altona im Angesicht einer vierspurigen Straße. Ich öffnete das Fenster, der tote Gott stank, das ganze Zimmer stank, draußen der Verkehr stank wie das Leben, das mir übrigblieb. "Die Liebe ist ein Held", sagte ich leise, schloss das Fenster wieder, sah Gottes Leiche, machte den Fernseher an und der verkündete: "7000 Euro sind im Jackpot. Hier die Frage: Wo steht die Villa von Dieter Bohlen, Tötensen oder Bottrop?" Von fern hörte ich Rettungswagensirenen und hoffte, dass sie wegen niemandem unterwegs waren, den ich kenne. Es war Zeit abzureisen ...
Something about Bernemann
Für und über mich - muss auch mal sein
(C)opyright by Manu Schäfer
    Wo sind die Adjektive, die mich beschreiben, die mich endlich eindeutig machen? Wer war, bin, werde ich? Bin ich eigentlich auch der, der dann durch etwaige Adjektive beschreibbar ist? Sind Abweichungen immer noch möglich? Bin ich dann noch möglich als Individuum? Eine einfache, stets geltende literarische Formel ist die folgende: Ich bin der Sohn meiner Mutter Und die Liebe ist mein Futter.
    Und dann fragt ihr euch noch, wo ihr mich hinstecken sollt, wenn ich schon nicht in euren Darmausgang reinpasse. Ich hab es ja probiert. Der Kopf hat gepasst, der ganze Schädel war fein im Rektum integriert, und dann hattet ihr Schmerzen und Darmblutungen meinetwegen, also hab ich mich zurückgezogen und drei Tage in lokal begrenzten Regengebieten unter meiner Dusche gewohnt. Also im Arsch, da war ich schon. Es hat nicht gepasst mit uns, wir konnten nicht zueinanderfinden, waren nicht kompatibel, deswegen hab ich Schluss gemacht, Schluss mit den Mitmenschen. Ich hab einfach das Leben verlassen, das ich kannte. Hab zum Leben gesagt: "Ey Alte, bin mal kurz runter, Zigaretten holen. Könnt was dauern, bis ich zurück bin." Das Leben hat mich nicht angeschaut, es wusste ohnehin Bescheid. Als die Tür ins Schloss fiel und dem Leben klar war, dass ich nicht zurückkehre, brach es zusammen, das kleine Leben.
    Da ich nunmehr schon ein kleines Leben gehabt habe, suchte ich mir nun ein größeres. Das, das ich verlassen hatte, war mir zu eng, es war der zu heiß gewaschene Wollpulli, die erektionspreisgebende Badehose, die Einbahnstraße mit Gegenverkehr. Das wollte ich wegstecken, das alte Leben, und ein anderes mit dahinstecken, wo es brauchbar ist.
    Hinstecken. Ja, wohin stecken den Bernemann? Den, der laut eigener Aussage weder schubladisierbar noch schubladesk ist. Der, der von sich sagt, dass Literatur, also erstmal seine Literatur, eine Art Angriffskrieg ist. Er ist der, der laut und öffentlich sagt: "Ich habe keine Ideen, ich habe nur ein Leben. Ich habe keine Worte, ich habe nur meinen Herzschlag. Das ist keine Kreativität, das ist nur Notwehr. Das ist keine Kunst, das ist Poesie und Kampfsport. Das ist kein Poetry Slam, das ist nur ein Mund, der die Befehle eines zuckenden Herzens weiterleitet. Leidenschaft. Jaaaa!!! Ich mache das, weil manchmal weniger als nichts passiert." Wie geht man mit so was um? Kann man damit leben? Ist das nicht viel zu gefährlich, immer auf dem Todesstreifen zu tanzen?
    Dann steckt ihn doch in
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