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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
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beginnt der Mann einen Bestelldialog und mein Pizzafreund antwortet ihm. Kunde: Ich hätte gern die große Romantik zum Mitneh- men.
    Pizzamann: Romantica, Sie meinen ... Kunde: Ja, genau, die große Romantik, das wird für mich und meine Frau schon reichen ... Pizzamann: Mache ferti, warte fuffzen Minutte, dann ferti ... Kunde: Danke.
    Dialoge sind immer gut, wenn sie mit einem Danke aufhören, ist mir da eingefallen.
    Danke.
Leaving Hamburg-Altona oder I'm in hell and I'm alone!
    Ich öffnete das Fenster und schrie über die Straße: "Die Liebe ist ein Held." Zimmer 308. Dritter Stock. Es war ein Hotel in Hamburg-Altona, und direkt vor diesem Hotel verlief eine vierspurige Straße, auf der von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends ständig Lkws fuhren. Niemand konnte mich hören, doch das war mir egal. "Die Liebe ist ein Held", brüllte ich erneut, noch lauter als zuvor. Ich hätte dort stehen können, mit einem Megafon bewaffnet oder einer Lautsprecheranlage auf der Fensterbank, niemand hätte mich wahrgenommen. Die Lkw-Fahrer schon mal gar nicht, die fuhren einfach nur. Tiere, Essen, Bücher, Tupperdosen. All das fuhr vor mir auf der vierspurigen Straße, und da wurde mir noch kurz bewusst, welche Ironie der Aufkleber "Lebende Tiere" auf einem Lkw hat, der Richtung Schlachthof fährt.
    Ich war seit vier Tagen in diesem Zimmer. Zimmer 308. 25 Euro mit Frühstück. Ein angenehmer Preis für ein unangenehmes Zimmer. Frühstücken war ich nie, ich war nur ein Mal bei Plus, um eine Kiste Astra-Pils zu kaufen. Das Zimmer war klein und angenehm bedrückend. Da war ein Fernseher, ein Bett und mit der Kiste Astra-Pils hatte ich mir das Zimmer schön wohnlich gemacht.
    Ich trank den ganzen Tag dieses elende Bier, schlief ein, machte den Fernseher an, wieder aus, wieder an und wieder aus und schlief wieder ein und trank Astra-Pils, worauf ich den Fernseher wieder anmachte, dann aus, dann wieder an, um dann einzuschlafen und bei folgenden Worten zu erwachen: "Das hab ich doch nur wegen Mark getan." Und eine rothaarige Richtern mit Namen Salesch sagte: "Wer ist denn jetzt Mark?" Die Frage wurde nicht beantwortet. Ich machte den Fernseher aus.
    Ich öffnete mir ein Astra-Pils und dachte darüber nach, warum ich hier war. Es gab keine logische Erklärung dafür, dass ich an diesem Ort war. Aber Logik war noch nie mein Hobby. Es ging um diese Frau, die Frau, die mir beigebracht hat, dass Liebe ein Held sein kann. Sie hatte mich nach äußerst intensiver Zeit verlassen, in einer tränendurchfluteten Nacht, und so trank ich das Astra-Pils in einem Zug aus, ging zwei Schritte Richtung Fenster und beschallte erneut die Straße mit meinen Ansichten: "Die Liebe ist ein Held." So vieles war jetzt egal, aber dieser Satz musste endlos erschallen über den Dächern des dunklen Hamburgs.
    Ich wusste instinktiv, dass sie sich eine neue Frisur machen lassen würde. Wenn sie das tat, war alles endgültig vorbei. Frauen machen das so. Wenn ein Lebensabschnitt vorbei ist, dann fallen auch die Haare. Verwirrte wie ich fahren nach Hamburg-Altona, suchen sich ein billiges Hotel, reden mit niemandem außer der vierspurigen Straße und versuchen, sich mit billigem Astra-Pils die Realität zurechtzutrinken.
    Ich sollte auch besser zum Friseur gehen - das hat sie mir auch immer geraten.
    Am fünften Tag sah ich hinter der vierspurigen Straße einen kleinen Mann in einem gelben Regenmantel winken. Ja Scheiße, er winkte mir zu, oder? Oder ist vielleicht sie es, die mir zuwinkt? Die Herzallerliebste hat mich aufgespürt, um mich aus meinem Elend im unangenehmen Hotel unter all dem Leergut zu befreien? Der kleine Mann oder die kleine Frau - was auch immer- winkte mir zu vom anderen Ende der vierspurigen Straße. Ja, das Winken galt eindeutig mir, das konnte ich spüren. Ich zog meine Schuhe an und rannte vom dritten Stock aus die Treppen runter, war dann vor dem Hotel, die Fußgängerampel war grad grün, konnte ich die Straße gefahrlos überqueren und am anderen Ende stand: ein alter Mann, der eine Flasche Schnaps umklammert hielt. "Was'n hier nur los?", fragte mich der Alte, und ich sah ihm in die Augen und sagte den einzigen Satz, der mir seit Tagen aus dem Gesicht fällt: "Die Liebe ist ein Held." Ich musste nicht mehr schreien, denn der alte Mann im gelben Regenmantel stand ja direkt vor mir. Und er hob seine Schnapsflasche in den Himmel, rülpste laut und sagte: "Ja, das stimmt." Wir umarmten uns und ich lud ihn ein, zu mir ins unansehnliche
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