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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
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die keiner mehr hören kann.
    Neulich im Krankenhaus, auf der Intensivstation piiiiiiiiiiiiiiiiiiep Neulich im Straßencafé Kaffee und Zigaretten und Blicke und Denken, immer nur Denken. Monströses Denken, Monstergedanken. Schau dir die Welt an, schließ die Augen und zähl bis zehn. Dann mach die Augen wieder auf und sag mir, was in diesem Bild im Vergleich zum letzten Bild nicht stimmt!
    Neulich beim Rasieren Benutzt Standardklingen. Vergesst den neumodischen Kram. Standardklingen, günstig und gut ... Wenn man weiß wie. Langsame, gleitende Bewegungen. Der Unterschied! Früher war Rasieren eine Kunst, das Rasiermesser eine Waffe. Heute kann sich sogar jeder Gelähmte selbstständig rasieren. Kindersicher, selbstmordsicher, wie alles retardiert, zum Spielzeug geworden.
    Neulich auf der Straße Drei Heroinkonsumentinnen, glücklicherweise schon high, nie Shakespeare gelesen, warum auch?
    Neulich auf YouTube Eine Stunde lang wiederholt den gleichen Clip geguckt. Sinead O'Connor: "Nothing compares to you" ... Trockene Mundhöhle, Wasser trinken, Libido unter null, danach eine Stunde Napalm Death-Clips geschaut, auch schön ...
    Neulich im Buch Und warum werden wir niemals in Frieden leben können? Weil ich zu laut Radio höre!
    Neulich im Fernsehen Acht Tiere mit drei Buchstaben, acht Tiere mit drei Buchstaben!!!!!!!! Verdammte Scheiße!!!! Acht Tiere mit drei Buchstaben!!! Das ist doch nicht zu schwer!!!! Acht Tiere mit drei Buchstaben!!!! Acht Tiere mit drei Buchstaben!!! Kuh, Wal, Sau, Hai, alles genannt. Acht Tiere mit drei Buchstaben!!!
    Neulich im Spiegel Ich ist jemand anderes. Irgendjemand. Weit weg.
    Neulich in diesem Bett Ich wache auf und ich liebe dich!
Sweetness to go
    Dialoge analysieren hat mir schon immer Spaß gemacht. Irgendwo stehen, der Unbeteiligte sein, gucken und hören, was anderen Leuten so aus ihren Gesichtern fällt. Ich weiß noch, ich war zu der Zeit, als ich den nun folgenden Dialog hörte, schwerst verliebt, übelst in Löve, wie man in Kreisen verstörter Wortakrobaten aus Ostdeutschland sagt, und da hatte das eine ganz eigene Wirkung, die man vielleicht als unverliebter Mensch gar nicht nachvollziehen kann. Es riecht nach Pizzaofen und Moderkäse. Die Szenerie einer typischen Straßenpizzabude, der freundliche Italiener kennt mich und weiß, dass ich meine Pizza ohne Käse esse. Es ist die Pizzeria meines Vertrauens. Und hier läuft nicht Eros Ramazotti oder Gianna Nanini, sondern Klassikradio.
    Ein Glas sehr schwule Weißweinschorle vor mir. Weißweinschorle, muss man sich mal vorstellen. Ein guter Weißwein und ein gutes Mineralwasser können in Kombination eigentlich nie ein gutes Gesamtgetränk ergeben, aber das Wasser zaubert eine Sanftheit ins Glas, und die brauchte ich zur Spinatpizza, die Sanftheit. Draußen regnet es, der Pizzamann, dessen Namen ich nicht kenne, tut beschäftigt, sortiert Gemüse und Getränke, schaut in den Regen und singt was auf Italienisch, ganz leise nur, was an und für sich klingt, als habe der Mann schon Gesangskenntnisse, nutze diese aber mit voller Absicht nicht.
    Klassische Arrangements begleiten ihn aus billigen Kompaktanlagenlautsprechern.
    Ein fremder Mann im langen Mantel und mit Grinsegesicht betritt regennass den Laden. Er schüttelt sich ein wenig, so wie es Hunde tun, die längere Zeit im Regen verbracht haben, und fährt sich mit der linken Hand durch die nassen Haare, um diese wieder in eine gewünschte Konstellation zu bringen. Sein nasses Haar pappt am Kopf wie Spaghetti. Er wirkt trotz seiner absoluten Begossenheit, trotz der durchdringenden Nässe wie ein Typ, der Sonnenstrahlen scheißen kann. Er bringt einen leuchtenden Spirit mit, es scheint, als könne er wirklich Sonnenschein scheißen. Vielleicht tut er das mal. Hier. Für mich. Aus seinem Arsch lacht die Sonne, aus seinem Gesicht sowieso, er ist ein glücklicher Mann. So was find ich meist verdächtig und denk mir, dass dieser Mann vielleicht mit Drogen oder so zu tun hat, also Ecstasy, und jetzt kommt der berühmte Fresskick und seine ganzen verpeilten Raverfreunde warten draußen. Jetzt wird er sein Junkiemaul öffnen und "Fünfzig Salamipizzen!" brüllen, aber nein, er schaut auf das Angebot, das über dem Pizzaofen angenagelt ist, und sein Blick ist immer noch voller Freude und seine Augen tanzen förmlich über die Speisekarte. Er tänzelt. Es sieht aus wie Lambada auf Koks. Komische Aura, die der Mann mit sich herumträgt, kenn ich gar nicht, denk ich mir, und dann
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