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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
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noch nicht die Kindlichkeit weggebrochen ist, sie aber schon mit allen Reizen der Weiblichkeit ausgestattet hormongeplagte Jungmänner lebenskonzeptionell stark verstören können. Schön, das zu beobachten, schön, da nicht mehr mitmachen zu müssen.
    Dann sagte er noch, mein Gitarren- und Trinkfreund, kurz nachdem ich mir eine Zigarette angezündet hatte, dass ich dabei aussähe wie Helmut Schmidt 1979. Wir standen an der Bar, rauchten hektisch und lieblos. Und ich habe gelacht und mich gefragt, wie alt ich eigentlich mittlerweile aussehe, und dann haben wir unsere Geheimratsecken angesehen. Ja, wir standen an dieser Bar und beobachteten verschwindende Haaransätze, und mich hat das nicht geschockt. Ich begrüße die Natur, und wenn sie mich faltig und kaputt macht, soll sie doch, ich bin Teil dieses Kreises, und nein, ich bin kein Buddhist, aber realistisch genug, nicht traurig zu werden, wenn die Zeit knabbert. Die Philosophie von Menschen um die dreißig und das Thema Geheimratseckenbetrachtung. Ich seine und er meine, und da haben wir gemerkt, dass die Zähne der Zeit an uns nagen, und zwar mit gewissenhafter Heftigkeit. Wir tranken weiter.
    Zwischendurch auch Sekt und so einen Schnaps, dessen Namen ich nicht aussprechen kann, weil ich kein Japanisch kann außer Sushi.
    Irgendwann an diesem Abend, der sich schon zur nach dem Morgen gierenden Nacht entwickelte, ging er dann nach Hause und in seinem Arm diese Frau, die Indiependentsexgöttin, die vorhin noch mit uns stupide Filme angesehen hatte. Meine Freunde verabschiedeten sich nach und nach, aber meine Freude blieb an diesem Abend bestehen. Diese gesunde Mischung aus Langeweile, Bier, schlechter Musik und Dialogfetzen. Sehr schön, dachte ich, und auch andere gingen nach Hause und ich hab noch mit wem über Musik gesprochen und er hat behauptet, er sei so eine Art Produzent, und wir sprachen überwiegend über gitarrenlastige Indiemusik und die Gefühle, die diese in einem hervorrufen kann. Wie die Tasten eines Klaviers von zärtlichen Pianistinnenhänden gestreichelt werden, so wohl klangen seine besoffenen Worte in dieser Nacht, und es wurde später und ich musste noch zwei Orte weiter, um ein Bett zu erreichen, in dem ich übernachten wollte.
    Ich war voll wie ein Bus in der Rushhour und stieg in ein Taxi. Das stand da einfach so, und ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen und gab mein Ziel an, nicht die Heimat, nicht das Bett, nein das Tanzding, Sie wissen schon, Fabrik, ja genau Fabrik. Das Taxi setzte sich geschwind in Bewegung. Zunächst war der Fahrer sehr still, ich ein wenig außer Atem und die Blicke des Fahrers, die mich trafen, enthielten auch die Angst, ich würde ihm sein Taxi vollkotzen.
    Das Ding fuhr sehr schnell und der Fahrer war alt und sah im Halbdunkel, das in der Fahrgastzelle herrschte, wie Helmut Schmidt aus, Helmut Schmidt 2007. Er hörte Lokalradio. Irgendwann, als er wohl bemerkte, dass ich meinen Mageninhalt behalten würde, fing er an zu erzählen, diese typischen Anekdoten, die Taxifahrer immer so erzählen. Er betätigte sich zunächst als Sozialkritiker, feindete Hartz IV, Asylpolitik und Bildungspolitik an und sprach über sein Dasein als Taxifahrer und über Gäste, die in sein Taxi geschissen haben. Ich lachte mit ihm, auch ein bisschen über ihn, zahlte dreißig Euro und bewegte meinen Arsch. Wir waren mittlerweile auf einem Parkplatz eines münsterländischen Clubs gelandet. Da kann man noch tanzen und Bier trinken, auch um drei Uhr morgens, und ich bewegte meinen Arsch. Erst zärtlich, dann Attacke.
    Um diese Zeit lösen sich diese Partys hier schon immer auf, die Einsamen und die Vielzubesoffenen sind noch da, und ich gehörte beiden Randgruppen an. Irgendeiner, dessen Gesicht mir total bekannt vorkam, aber dessen Namen ich niemals behalten werde, weil er Frank oder Jürgen heißt, war auch da und hat mich erstmal zugetextet. Wer das Lied von den Goldenen Zitronen "0 Uhr 30, gleiches Ambiente" kennt, weiß auch über Inhalt und Tragweite dieses Gesprächs Bescheid. Bohemian Fucktalk. Aber kühles Hemd.
    Dann traf ich noch dieses Mädchen, mit dem ich mal unabsichtlich geknutscht hatte, und die hat gesagt, dass sie jetzt hier wohnt und ob wir nicht mal Kaffee trinken wollten. Ich hab ihr gesagt, dass ich sie schon immer scheiße fand, aber Kaffee trinken wäre in Ordnung. Wir verabredeten uns nicht, ich log aber, dass ich ihre Nummer hätte und sie demnächst anrufen würde.
    Die Musik war eine Mischung aus
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