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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
Autoren: Dirk Bernemann
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einfach so, wären sozial engagiert, bereits im Kindergarten, und würden sich um Kinder sorgen, die vor Hunger nicht imstande sind, aufzustehen. Dann würden sie tolle Abiturnoten haben und Jura sowie irgendwas mit Universum studieren und Nobelpreise kriegen, ihrer Mutter ewig dankbar sein, Bücher schreiben, diese ihrer Mutter widmen und nicht aufhören, dankbar zu sein. Vielleicht Kunst machen. Dankbarkeit in Blumen und Umarmungen und Nobelpreisen ausdrücken.
    Die Kinder würden wirklich Nobelpreise mit nach Hause bringen, Physik und Literatur wohlgemerkt, und die dann mit einer Schachtel Merci einfach so bei Beate auf der Fensterbank stehen lassen. Beate würde bei jedem Nobelpreisabstauben daran denken, was für lustige Fragen die beiden Kinder am Anfang ihrer Gehirnentwicklung stellten: Mama? -Ja. - Mama, ist ein Mähdrescher wirklich jemand, der Schafe verprügelt? Oder: Mama? - Ja. - Ist ein Nutznießer wirklich jemand, der seine nasalen Schleimabsonderungen zu etwas benutzt? Und wenn ja, wofür? Nahrung oder Bausubstanz?
    Das Leben als Mutter würde jeden Tag JA, ICH BIN ES! brüllen, und Beate würde jeden Tag zurückbrüllen JA, DU BIST ES! und das würde es dann sein, denkt sich Beate und trinkt Kaffee. Und man würde sich umarmen wie in amerikanischen Familienserien: Ich weiß Mum, es war ein Fehler, den Hund zu treten. Abspannmusik. Schön.
    Sich in Kindern zu verewigen. Einen dicken Bauch haben, wo die Kinder erst mal drin sind, mit rotem Lippenstift auf den Bauch schreiben: Made with love. Die eigene Genetik dahin platzieren, wo sie jung blühen kann, das ist Beates Traum. Ein Traum, der nach Erfüllung giert. Gerade jetzt im Frühling wäre es doch wundervoll, mit einem Kinderwagen durch Parkanlagen zu schieben. Leute grüßen, die statt Kindern Hunde oder Mountainbikes haben.
    So eine Geburt aber, das hat sie von ihrer etwas älteren Schwester Hildegard gehört, die sei brutal, sei ein bisschen wie Krieg. Mit vielen Schmerzen und so. Man könnte Haut reißen hören während so einer Geburt. Manche kacken sich voll. Und es sieht immer ein wenig aus wie im Metzgereifachgeschäft nach so einer Geburt, heute im Angebot: 500 g Fötusgulasch für 2,89 Euro. Die Hildegard ist irgendwie bekloppt, aber sie liebt ihr Kind, das Anna heißt, der Vater dieses Kindes heißt Uwe. Uwe ist Busfahrer, was ja erst mal nicht schlimm ist, hätte er nicht diesen typischen Busfahrerkörper. Kleiner Kopf, riesiger Rumpf, dicker Bauch (mit obligatorischer Rille drin, durch die das Buslenkrad immer gleitet), Plattarsch (weil nur Sitzen) und Beine wie kleine Äste (weil nur fahren, nie laufen).
    Busfahrer sind die hässlichsten Geschöpfe dieser Erde. Neben Müttern, die ihre Kinder schlagen, aber die haben nur diese innere Hässlichkeit, die man aber bei jeder Bewegung registrieren kann, wenn man mal genau hinguckt.
    Beate wartet und trinkt Kaffee.
Wurmkonflikt
    "Geh mir aus dem Weg!" Der Regenwurm reagiert nicht. Er liegt regungslos auf dem Gehweg und flötet ein Lied von Marilyn Manson. "Scheiß Wurm, jetzt mach Platz!" Ich versuche, ihn mit meinen Worten zu beeindrucken, doch die Coolness des Wurms ist total immun gegen meine dünne Stimme.
    Da ich ein zu Zwangshandlungen verpflichteter Autist bin, kann ich so was nicht ignorieren. So ein scheiß Regenwurm liegt vor mir auf dem Aldi-Parkplatz und macht einfach keinen Platz. Ignorantes Wurmgesocks. Und dann lächelt er, als wolle er mich provozieren, flötet kaum hörbar die Junkieentschuldigung von Marilyn Manson: "... I don't like the drugs but the drugs like me ...", und ich stehe hilflos da. Ich werd grad echt verrückt an diesem blöden Wurm. Und er liegt da und pfeift gruselig-schlechte Rockmusik. Scheiß Wurm. Arschlochwurm. Das Tier ist unnachgiebig, kriechbehindert oder taub, glaube ich. Oder einfach nur auf extremen Ärger aus.
    Ich beuge mich zu ihm runter: "Pass auf, Wurm, du kannst hier nicht einfach rumliegen und so tun, als ob dies hier dein scheiß Parkplatz wäre. Ich meine, ich könnte jetzt um dich herum laufen, aber ich gehe hier immer so, und immer, also wirklich immer, setze ich meinen Fuß auf diesen Pflasterstein, auf dem du jetzt liegst. Also würde es dir viel Mühe bereiten, dich hier zu entfernen? Ich will dir ja auch nicht wehtun." Ausdruckslose Wurmaugen starren mich an und der Wurm zieht ein Gesicht, so als wolle er sagen: "Blödmann, Würmer können doch weder hören noch reden, also laber mich nicht an, Alter. Ach und außerdem, ich bleibe
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