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Lost Vampire - Das Ende der Welt

Lost Vampire - Das Ende der Welt

Titel: Lost Vampire - Das Ende der Welt
Autoren: Beth St. John
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Kapitel 1
    23. März. Sunset Crater. Dämmerung.
     
    Ever lag auf nacktem Stein und ihr Atem ging vollkommen ruhig. Es war einer der ersten warmen Sonntagnachmittage des Jahres. Der Fels war noch eisig vom Winter, doch die Kälte störte sie kaum. Wenn sie tief einatmete, stach die Luft mit einem befreienden Gefühl in ihren Lungen und aus den Augenwinkeln sah sie die weiß schimmernden Reste von Schnee. Wie es das launische Wetter am Sunset Crater an sich hatte, war noch am Morgen ein kurzes Schneegestöber über den Berg gepeitscht. Doch jetzt war selbst der Wind zu einem zarten Flüstern in ihren Ohren abgeklungen. Der Himmel war nun makellos blau und die Sonne wanderte langsam zum westlichen Horizont.
    Umgeben von der starken Natur fühlte Ever ihre Gedanken aufklaren wie die Dämmerung eine lange Nacht erhellt. Die Landschaft um den erloschenen Vulkankrater hatte diese erstaunliche Wirkung auf sie und der strenge Winter hatte sie viel zu lange von diesem Ruhepol abgeschnitten. Dies, und der Stress in der Highschool. Sie lag nun bereits seit Stunden hier und glaubte, die Kraft der Natur durch jede Zelle und jeden Nerv fließen zu spüren. Eigentlich wollte sie ihre kurze Flucht aus dem Alltag nicht abbrechen, doch die Dämmerung legte sich langsam über das Land.
    Sie drehte sich vom Rücken auf die Seite. Unter dem dichten Fell spürte Ever den steinigen Untergrund aus erkaltetem Vulkangestein. Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit; sie sah genauso gut wie bei Tageslicht. Nach Osten erstreckte sich die Wüstenlandschaft wie ein schwarzes Meer ununterbrochen bis zum Horizont – wie es für das nördliche Arizona typisch war. Immerhin war es eine knappe Stunde bis nach Torch Creek und ihr ging durch den Kopf, dass sie nun wirklich zurück zum Auto gehen sollte. Zwar sah ihr Vater, obwohl er Bürgermeister war, ihre Ausgehzeiten eher locker, zumal er selbst zu selten zu Hause war, um sie tatsächlich zu kontrollieren, doch ab einem gewissen Punkt würde selbst er anfangen Fragen zu stellen.
    Ehe Ever sich aufraffen konnte, traf ihr sensibles Gehör plötzlich ein Geräusch aus der nahen Waldgrenze. Sie war mittlerweile gut vertraut mit ihrer derzeitigen Gestalt, doch die schärferen Sinne überforderten bisweilen ihre durch und durch menschliche Wahrnehmung. Sie wusste, dass da etwas war und das machte ihr Angst. Es war schwer zu sagen, woher das Geräusch genau kam. Ohne einen weiteren Gedanken zu verlieren warf sie sich auf die Pfoten und zog sich vorsichtig in die andere Richtung zurück.
    Das leichte Knistern von Schuhen auf dem Waldboden näherte sich, doch verschwand immer wieder zwischen zwei Fußschritten. Plötzlich stieß Ever mit dem Rücken gegen einen Widerstand, den sie nicht erwartet hatte. Verschreckt neigte sie den Kopf nach oben und sah am Bein eines Mannes hinauf, der dort eben noch nicht gestanden hatte. Ein Gesicht, dessen Züge zum vertieften Nachdenken geschaffen waren, blickte auf sie herab und verzeichnete ein verständnisvolles Lächeln.
     
    „ Mir ist über die Jahre schon so einiges begegnet, aber noch keine gemeine Hauskatze, die eine derartige Aura ausstrahlt“, sagte der dunkelhaarige Fremde und ging sachte in die Hocke. Seine Ellenbogen lagen auf die Knie gestützt und seine Hände waren ruhig gefaltet, anstatt sich nach Ever auszustrecken. Eine menschliche Eigenart, die sie bis heute zutiefst irritierte.
    „ Diese Orte ziehen kuriose Gestalten wie dich und mich magisch an, nicht?“
    Ihre Gedanken rasten. Es gab keine Chance vor dem Fremden davonzulaufen, das hatte er bereits unter Beweis gestellt. Außerdem war da das Gefühl, es gar nicht zu müssen. Er wirkte alles andere als bedrohlich. Doch vielleicht war das nur die Ruhe vor dem Sturm? Sie spürte, wie sich die Gedankengänge in ihrem Kopf verkomplizierten und vermenschlichten. Schneller als es Ever lieb war überkam sie die Verwandlung.
    Das Gestaltwandeln spielte sich für sie nur am Rande auf körperlicher Ebene ab. Es zog und zerrte, aber die Veränderung tat nicht weh. Es kam dem morgendlichen Strecken gleich. Selbst der Größenunterschied zwischen einer durchschnittlichen Hauskatze und einem zierlichen menschlichen Mädchen fiel dabei nicht ins Gewicht. Deutlich schwerwiegender und zeitweise verstörender empfand Ever den Wandel von Körpergefühl und Selbstwahrnehmung.
    Statt Fell spürte sie nun Kleidung auf ihrer Haut. Ihre Sicht verschwamm zur menschlichen Perspektive, der so viele Details und Facetten
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