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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht
Autoren: J Berry
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und es sieht nicht so aus, als hätten sie Baumwolle geladen.
    XLI
    Die Männer im Dorf sind jetzt ganz still, während die Frauen vom Krieg reden. Auf dem Weg ins Dorf kommt Goody Pruett vorbei und erzählt Mutter, was sie gehört hat. Diesmal fordert sie nicht einmal ihre übliche Entschädigung in Form einer Tasse Kaffee.
    Die Schiffe der Homelander könnten auf dem Fluss fast bis zu unserem Dorf gelangen; sie müssten erst bei Roswell Landing an Land gehen. Von dort ist es dann nicht mehr weit bis Roswell Station und unserem fruchtbaren Farmland.
    Sie werden all das in Besitz nehmen und unser Blut vergießen. Sie haben ihre Brüder von damals, aus dem Jahr ’37, bestimmt nicht vergessen.
    Seit es unser Waffenarsenal nicht mehr gibt, haben wir nur noch Schusswaffen. Donnerbüchsen, Vorlader, Flinten und Pistolen. Neunzig Schusswaffen, und die haben Hunderte. Neunzig Männer mit Kugeln und Schießpulver, deren Blut vergossen werden wird. Neunzig Männer, die ihre eigene Vernichtung für eine halbe Stunde aufhalten werden.
    Roswell Station wird die nächste Abenddämmerung nicht erleben. Keine einzige Witwe mit milchigen Augen, kein einziger pummeliger Säugling wird überleben. Die jüngeren Frauen werden sie vielleicht verschonen. Wenigstens die gesunden unter ihnen.
    Maria wird nicht dir gehören.
    Aber selbst ich kann mich darüber nicht freuen.
    Jemand anders wird sie bekommen.
    XLII
    Die Männer sehen den schwitzenden Captain Rush an, dann wandert ihr Blick zu dir. Ihre unausgesprochene, angstvolle Frage lautet: Wer wird uns anführen, jetzt, da Colonel Whiting fort ist? Ihm haben wir vertraut, er hat das Wunder vollbracht. Erinnert ihr euch an ’37, als er die Homelander das Fürchten lehrte?
    Nun ruhen ihre Hoffnungen auf dir, seinem Sohn und Erben, der bisher nur Rotwild geschossen hat.
    XLIII
    Es heißt, manche wollen in den Wald flüchten. Es heißt, die Ernte werde hektisch eingebracht, Frauen packten Karren mit Kleidung, Werkzeug und dem Nötigsten und die Familien ziehen in den riesigen Wald westlich von hier. Doch was ist mit den Alten, was mit den Säuglingen, Kleinkindern und den Hochschwangeren?
    Andere sprechen davon, Reiter nach Pinkerton, Chester, Codwall’s Landing und Fermot zu schicken, um einen bewaffneten Widerstand zu organisieren. Doch wie viele Kämpfer würden aus den anderen Dörfern zu uns kommen? Wäre es ihnen nicht lieber, die Eindringlinge blieben hier und gelangten gar nicht erst auf ihre eigenen Farmen?
    Und wären sie überhaupt rechtzeitig hier?
    Ich gehe von Haus zu Haus, verkaufe Eier und Flaschen und überbringe Briefe. Als alles erledigt ist, mache ich trotzdem weiter und höre den Leuten zu. Niemand drückt sich vorsichtig aus, nur weil ich in der Nähe bin.
    Zu Hause sehe ich die Neugier in den Augen meiner Mutter. Könnte ich ihr nur erzählen, was ich sehe, höre und weiß. Doch selbst für dieses Wissen würde sie die eiserne Regel nicht aufgeben, die mir die Lippen verschließt.
    In der Scheune schärft Darrel die Klinge von Vaters altem Bajonett. Heute nennt er mich ausnahmsweise einmal nicht Wurm. Er sagt kein Wort.
    Dich finde ich schließlich bei Maria. Du berätst dich mit ihrem Vater und den Dorfältesten. Leon und Jud und alle anderen gesunden Männer sind auch da.
    Maria entdecke ich im Wald auf einem Baumstumpf.
    Sie sieht mich.
    Ihre bezaubernden Augen sind rot und geschwollen vom vielen Weinen.
    Ich begreife nicht, warum ich den Wunsch habe, etwas für sie zu tun. Von einem Baum in der Nähe pflücke ich den rötesten Apfel, den ich finden kann, und lege ihn in ihren Schoß.
    Als ich mich zum Gehen wende, höre ich, wie sie mit ihren perlweißen Zähnen in den Apfel beißt.
    XLIV
    Prediger Frye steht auf der Veranda der Dorfkirche und sagt den um ihn versammelten Frauen, sie sollten an die Erlösung durch Gott glauben. Alle denkbaren Arten von Wundern seien möglich. Der Fluss könnte zufrieren. Eine Krankheit könnte alle Feinde dahinraffen. Brennende Pfeile könnten vom Himmel auf die Schiffe herabstürzen. Wir sollten beten.
    Normalerweise hören die Frauen Frye wie gebannt zu, aber heute verlässt eine nach der anderen den Vorplatz, bis ich schließlich allein mitten auf der staubigen Straße stehe.
    Der Prediger holt Luft. Dann entdeckt er mich. Er atmet wieder aus, dreht sich um und verschwindet in der Kirche.
    XLV
    Ich gehe an deinem leeren Haus vorbei. Du berätst dich noch immer mit den anderen Männern. Ich habe immer noch den Eimer mit den
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