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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Vorwort
    Im »Strauß von Blumen und Briefen«, mit dem die Familie Behrs Lew Tolstoj am 28. August 1862 zu seinem vierunddreißigsten Geburtstag gratulierte, erfreute eine Blüte den Schriftsteller ganz besonders: das Billett mit der Gratulation der achtzehnjährigen Sonja. Lew Tolstoj war verliebt, und kaum einen Monat später wurde das Fräulein Sofja Andrejewna Behrs seine Ehefrau.
    Als viertes von insgesamt fünf Kindern in eine der vornehmsten Familien Rußlands geboren, führte Tolstoj in seiner Jugend das übliche ausschweifende Leben der Jeunesse dorée jener Zeit. Er besuchte Bälle, Diners und Soireen, gab sich dem Kartenspiel und den Frauen hin und suchte nach dem Sinn seines Lebens. Sein Studium an der Universität Kasan brach er ab. Mit Anfang zwanzig »verbannte« er sich in den Kaukasus, wo er hoffte, durch die Disziplinierung der Armee seine »schlechten Angewohnheiten« – Spiel, Trinkgelage und Frauen – ablegen zu können.
    Im Kaukasus begann Tolstoj zu schreiben. Die Geschichte seiner Kindheit (1852) rief sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum beachtliche Aufmerksamkeit hervor. Nach den traumatischen Erlebnissen des Krimkrieges nahm Tolstoj seinen Abschied aus der Armee. Seine Sewastopoler Erzählungen (1855) machten ihn zum gefeierten Star der Literatur. Selbstbewußt und nicht immer diplomatisch trat er bei einem Aufenthalt in Sankt Petersburg den Autoritäten der literarischen Welt gegenüber und zog sich schon bald wieder nach Jasnaja Poljana zurück, auf das rund zweihundert Kilometer südlich von Moskau gelegene Landgut seiner Eltern, das ihm als Erbe zugefallen war. Dort versuchte er ein nützliches Leben zu führen. Er unternahm Reisen nach Westeuropa, gründete eine Schule für Bauernkinder, für die er sogar seine literarische Tätigkeit zurückstellte,und war auf Freiersfüßen. Jedoch wollte keine der zahlreichen Kandidatinnen seinem Wunschbild von der idealen Ehefrau entsprechen.
    Erst die um vieles jüngere Sofja Behrs vermochte das Herz des Junggesellen zu erobern. Bereits im Jungmädchenalter hatte Sofja von dem Schriftsteller geschwärmt, seine Werke hatten tiefen Eindruck bei ihr hinterlassen.
    Sofja entstammte einer bürgerlichen Familie der russischen Intelligenzija, der Vater Andrej Jewstafjewitsch Behrs war Kaiserlicher Hofarzt mit gutgehender Praxis. Wie damals üblich, wurden die Töchter von deutschen und französischen Gouvernanten zu Hause erzogen. Vor der Eheschließung legte Tolstaja 1861 an der Moskauer Universität das Hauslehrerinnenexamen ab, was damals der besten Bildung für junge Frauen entsprach. Das Studium an der Universität selbst war Frauen erst ein Jahrzehnt später möglich.
    Das Fräulein Behrs war künstlerisch begabt, widmete sich der Malerei und der Photographie, schrieb eine Erzählung, von der Tolstoj begeistert war. Doch als der Schriftsteller um ihre Hand anhielt, war Sofja, ganz nach traditionellen Werten erzogen, sogleich bereit, ihr eigenes Leben den Vorstellungen des Gatten zu unterwerfen und ihren eigenen Interessen und Begabungen zu entsagen. Noch am Abend der Hochzeit brach das Ehepaar nach Jasnaja Poljana auf, um dort fernab von den Vergnügungen der Stadt ein Leben nach jenem Ideal zu führen, das Tolstoj für sich und seine Ehefrau erdacht hatte: ein einfaches und rechtes Leben in gegenseitiger Liebe und Hingabe an die Familie, das Wahrhaftigkeit und Genügsamkeit dem Ideal des comme il faut der Gesellschaft entgegenstellt.
    Die Tolstojs lebten zurückgezogen auf Jasnaja Poljana und in rascher Folge wurden zahlreiche Kinder geboren. Gleichwohl vermochten die weiblichen Pflichten allein Tolstaja nicht zufriedenzustellen. Sie war überglücklich, als ihr Mann, der sich nach der Veröffentlichung des Romans Familienglück im Jahr1859 von der Literatur abgewandt hatte und zum passionierten Gutsbesitzer und Pädagogen geworden war, seine literarische Arbeit wiederaufnahm, und wurde ihm zur unermüdlichen Helferin. Zunächst machte Tolstoj sich an die Überarbeitung und Fertigstellung der Werke, die er bereits vor der Ehe begonnen hatte. Die Erzählungen Die Kosaken und Polikuschka , beide 1863 erschienen, waren die ersten Werke ihres Mannes, die Tolstaja in ihrer »unschönen, aber deutlichen Handschrift« abschrieb. Unausgefüllt von ihren Hausfrauenpflichten warf sie ihre ganze kreative Energie und Begabung auf die literarische Tätigkeit ihres Mannes. »Wir lebten auf dem Lande, ohne zu reisen, verfolgten die Neuigkeiten nicht,
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