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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wenn Monika ihren Mittagsschlaf beendet hatte.
    Er stapfte durch den hohen Schnee, die Bretter geschultert, die Skistöcke als Stütze gebrauchend.
    Dr. Doernberg war verwundert, als ihn ein Wagen überholte und kurz vor ihm bremste.
    Als er an den Wagen herangekommen war, öffnete sich die Tür und ein in Schal und Pelzmütze eingemummter Kopf sah hinaus und nickte ihm zu.
    Dr. Doernberg blieb verblüfft stehen und nahm seine Skimütze ab.
    »Herr Landgerichtsdirektor?« sagte er erstaunt.
    Dr. Hellmig winkte ihm zu, näher zu treten. Er streckte dem jungen Staatsanwalt die Hand hin und nickte ihm freundlich zu.
    »Meine Frau fährt mich ein wenig an die frische Schneeluft. Das tut gut für die Nerven. Darf ich Sie bitten, in den Wagen zu steigen?«
    Dr. Doernberg zögerte. Er hatte seine Skier in den Schnee gestellt und hob bedauernd die Schultern.
    »Die Bretter werden nicht hineingehen, Herr Landgerichtsdirektor.«
    »Dann kurbeln wir das Fenster eben herunter, und Sie halten die Skier schräg nach draußen.«
    »Es wird ziehen im Wagen.«
    »Papperlapapp! Steigen Sie ein …«
    Dr. Doernberg begrüßte Frau Hellmig. Sie klappte den Vordersitz herum, und Doernberg stieg zu Dr. Hellmig in den Fond des Wagens. Die Skier stellte er vorn neben Frau Hellmig auf den Wagenboden und ließ sie seitlich aus dem Fenster herausragen. Langsam fuhr Frau Hellmig wieder an.
    Eine Weile sprachen sie nichts. Eine Spannung lag zwischen ihnen. Dr. Hellmig suchte nach einem Beginn des ersehnten Gespräches, Dr. Doernberg wartete auf ein Wort des Landgerichtsdirektors und grübelte darüber nach, wie er diese plötzliche persönliche Freundlichkeit verstehen sollte.
    Dr. Hellmig schloß die Augen und lehnte sich weit in die Polster zurück. Sein Gesicht war schmal und blaß geworden.
    »Ich werde in drei Wochen wieder in den Sitzungssaal zurückkehren«, sagte er.
    »Ich würde mir noch etwas Schonung gönnen, Herr Direktor.« Doernberg sah ihn von der Seite an. Er ist ein alter Mann geworden, dachte er.
    »Haben Sie Angst, daß wir die Klingen wieder kreuzen?« Hellmig blinzelte zu Doernberg hinüber. Dann schüttelte er müde den Kopf. »Keine Angst, Herr Staatsanwalt … Ich will nur noch das Recht finden, das wirkliche Recht, das vor Gott und den Menschen vertretbar ist. Von der Höhe meines Alters und vom Gipfel meines Leides aus will ich das Leid der anderen verstehen und erkennen lernen.«
    »Warum muß es überhaupt ein Kampf sein?« Dr. Doernberg schüttelte den Kopf.
    »Wir müssen überzeugen!«
    »Wir?«
    Hellmig sah Doernberg voll an.
    »Wie kommen Sie darauf? Hat Ihnen Oberstaatsanwalt Dr. Karlssen etwas erzählt?«
    Dr. Doernbergs Kopf fuhr herum. »Der Herr Oberstaatsanwalt? Nein!« sagte er verblüfft.
    Hellmig nickte mehrmals. »Ich habe in einer Aufwallung von Schmerz und übergroßer Verbitterung etwas gesagt, was ich heute nicht mehr ausgesprochen wissen möchte.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Ich habe ausgesprochen, was ich dachte … und das war vielleicht ein Fehler. Wenn Herr Dr. Karlssen darüber geschwiegen hat, so mag er dies erkannt haben.«
    Dr. Doernberg atmete tief auf.
    »Sie haben sich für die Todesstrafe ausgesprochen!« sagte er heiser vor Erregung.
    »Ja. Ich habe es damals gesagt: Führt die Todesstrafe wieder ein. Ich habe das gesagt! Aber ich dachte damals nicht real … Ich hatte nur ein einziges, übermächtiges Gefühl, das alle Vernunft sprengte: Rache! Ich schrie es für alle Mütter und Väter heraus, die jemals durch Mörderhand ihre Kinder verloren: Tod den Mördern! Auge um Auge! Es waren furchtbare Gedanken! Gott möge sie mir verzeihen. Heute bin ich ruhiger geworden. Es wäre schrecklich und es wäre der Untergang aller Rechtsprechungen, wenn die Rache das Strafmaß bestimmen würde! Als Vater Sylvias« – seine Stimme zitterte, als er den Namen aussprach – »hätte ich Pattis damals mit meinen Händen erwürgen wollen … als Richter muß ich prüfen, warum er es tat. War es eine Rauschtat? War es ein seelischer Kurzschluß? War Pattis im Augenblick der Tat bei Besinnung, oder war es die Tat eines Irrsinnigen? Es sind so viele Faktoren, die ein Richter zu prüfen und abzuwägen hat, um am Ende sagen zu können: Das ist ein Urteil im Namen des Rechts.«
    Doernberg nickte. »Ich kann Sie verstehen.«
    »Das können Sie wirklich? Ich habe Sie bisher als einen blinden Eiferer angesehen.«
    Doernberg sah hinaus auf die verschneiten Wälder. »Darf ich auf ein wenig
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