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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu machen.
    Da war zunächst das Essen.
    Essen ist immer der Angelpunkt Nr. 1! Ob beim Militär oder im Gefängnis – das Essen ist der Grundstock aller Meckerei! Wegen des Essens hat es Zuchthausrevolten gegeben, Morde an Aufsehern, Ausbruchsversuche. Auch Meyer mit y revoltierte. Nicht laut oder gar gewaltsam … nein, still, wie es seine Art war, bescheiden – aber entschieden!
    Eingabe Nr. 1:
    »Gestern bekam ich lauwarme Suppe zum Mittag und am Abend Brot, von dem zwei Scheiben trocken waren, weil sie offensichtlich bereits zwei Tage herumlagen. Laut Gefängnisordnung steht mir ein ausreichendes und schmackhaftes Essen zu! Ich bitte um Nachprüfung, warum ich lauwarme Suppe und altes Brot erhielt. Kurt Meyer.«
    Die Beschwerde nahm der Block-Wachtmeister Xaver Wachtl entgegen. Wachtl las den Zettel, sah Meyer groß an, sagte etwas sehr Unanständiges (Beschwerde Nr. 2 für Meyer ›Beleidigung eines Untersuchungsgefangenen durch ehrabschneidende Ausdrücke‹) und verschwand damit zu seinem Oberwachtmeister. Dieser, ein Oberbayer, las bedächtig den Zettel, legte ihn auf den Tisch der Wachstube und verkündete:
    »Dös war recht. Beschwerde! Dem Preißn woll'n mer's mal zeig'n!«
    Sie zeigten es ihm!
    Kurt Meyer bekam kalten Tee.
    Aber sowohl Wachtl wie auch der Oberwachtmeister kannten Kurt Meyer nicht!
    Er bestellte den Pfarrer.
    Das steht jedem Häftling zu.
    Als der Pfarrer ging, nahm er von Meyer eine dicke Beschwerde für den Untersuchungsgefängnis-Direktor mit. Meyer hatte dem Pfarrer geklagt, er würde schlimmer behandelt als ein Stück Vieh. Das bewog den Pfarrer, dem Direktor die schriftlichen Beschwerden zu übermitteln.
    Der Gefängnisdirektor war ein gemütlicher Mann. Er erschien bei Meyer in der Zelle, setzte sich auf das Bett, schickte den ihn begleitenden, wütenden Wachtl vor die Tür und sah Meyer nachdenklich an.
    »Ich habe Ihre Beschwerden bekommen«, sagte er ruhig.
    »Ich will nur mein Recht.«
    »Das bekommen Sie … leider nicht.«
    »Was?!«
    Meyer mit y sah den Direktor ungläubig an.
    »Sie sagen mir als Justizbeamter, daß ich mein Recht nicht bekomme?! Das ist ein starkes Stück, Herr Direktor. Ich werde diese Äußerung bei der Hauptverhandlung erwähnen und damit in die Presse bringen.«
    »Das dürfen Sie.«
    Der Gefängnisdirektor lächelte.
    »Sehen Sie: Wenn Sie so sehr auf Ihr Recht pochen, das Sie verlangen, dann nehme ich an, daß Sie dieses Recht auch auf Ihre Straftaten angewendet wissen wollen, Sie verstehen?«
    »Nein«, sagte Meyer unvorsichtig.
    »Nach der Rechtsauffassung des gesunden Menschenverstandes steht auf fünffachen Mord ein fünffaches Todesurteil!«
    Über Meyers Gesicht zog eine fahle Blässe. »Die Todesstrafe ist abgeschafft!« sagte er stockend.
    »Wenn man Sie betrachtet, Meyer –«
    »Herr Meyer, bitte!« sagte Meyer mühsam.
    »… wären Sie allein ein plausibler Grund, die Todesstrafe zu fordern!«
    »Ich verbitte mir diese Reden!« Meyer sprang auf und stellte sich – mit dem Rücken zu dem Gefängnisdirektor – an das vergitterte Fenster.
    »Sie pochen doch so auf Ihr Recht! Das ist Ihr Recht!«
    »Recht ist, was im Gesetz steht!«
    Der Gefängnisdirektor erhob sich. »Auch Ihr Fall wird, wenn er verhandelt wird – die Öffentlichkeit aufrütteln! Und man wird am Ende bedauern, daß man zu Ihnen nur sagen kann: Fünfmal lebenslänglich!«
    Meyer fuhr herum. Auf seiner Stirn stand Schweiß. Seine kalten, grauen Augen flackerten.
    »Ich hätte es nie getan, wenn es die Todesstrafe noch gäbe!«
    »Danke!« Der Direktor lächelte wieder. »Das genügt, Meyer! Sie haben soeben gestanden.«
    Als die Zellentür zufiel, brach Kurt Meyer zusammen. Er brüllte vor Zorn und trommelte mit den Fäusten auf das harte Bett.
    »Ich Idiot!« schrie er halb wahnsinnig. »Ich Idiot! Idiot!«
    Von diesem Tage an war der Untersuchungsgefangene Meyer mit y apathisch und kaum ansprechbar. Er beschwerte sich nicht mehr, aß die lauwarme Suppe, trank kalten Tee und unterschrieb alle protokollierten Aussagen. Er ließ sich ohne Widerstand mit Handschellen fesseln, als er in einem Sonderabteil des Fernschnellzuges München - Köln eingesperrt wurde.
    In Köln, im alten Gefängnis Klingelpütz, nahm man die Einlieferung Meyers kaum zur Kenntnis. Hier war man allerhand gewöhnt. Hier saßen die Gebrüder Heidger, die Geldbriefträger-Mörder Schönwald, die Giftmörderin Kuschinsky, der Mörder und Arzt Dr. B. der nach dreißig Jahren Zuchthaus begnadigt wurde;
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