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Titel: iBoy
Autoren: Kevin Brooks
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Sie fand, ich solle mich ganz darauf konzentrieren, wieder gesund zu werden, und dafür bräuchte ich jede Menge Ruhe.
    |32| »Lucy ist fürs Erste gut versorgt«, war das Einzige, was sie sagte. »Und dir Sorgen zu machen um das, was ihr passiert ist, hilft keinem von euch. Wenn du wieder zu Hause bist   … dann reden wir über alles. Okay?«
    Es war natürlich nicht okay. Ich wollte
jetzt
alles wissen. Aber wenn sich Gram etwas in den Kopf setzte, lohnte es sich nicht, mit ihr zu streiten. Also gehorchte ich brav. Ich ruhte mich aus. Ich schlief. Ich aß. Ich las unzählige dämliche Zeitschriften. Und ich versuchte, über nichts nachzudenken.
    Nicht über Lucy.
    Nicht über mich.
    Nicht über das Unheimliche in meinem Kopf   …
    Stromschläge.
    Bienen, Nicht-Bienen.
    Definitionen.
    Zeitungen.
    Milliarden summender Verbindungen   …
    Ich bemühte mich wirklich, über nichts davon nachzudenken, doch das war fast unmöglich, denn wann immer mir irgendwas einfiel, brach sofort alles los. Immer wieder sah ich irgendwas in meinem Kopf   … schwach flackernde Schemen, die ich nicht verstand – so in etwa wie äußerst blasse Nachbilder durchsichtiger Insekten. Und ich hörte auch Dinge – körperlose Stimmen, Fetzen von Unterhaltungen. Und obwohl das alles viel zu unscharf und zerstückelt war, um es real und klar hören oder sehen zu können, nahm ich an, dass diese sonderbaren Wahrnehmungen irgendwie mit dem, was ich dachte, zusammenhingen. Es war so ähnlich wie das, was man erlebt, wenn man bei laufendem Fernseher einschläft – egal, was gerade läuft, es verwirrt sich in deinem halb schlafenden Kopf mit dem, was du denkst oder halb träumst   … und |33| du weißt, es kommt nicht wirklich aus dir, aus deinem Kopf, trotzdem fühlt es sich genau so an.
    Genau so fühlte es sich an.
    Ich dachte so halb über Lucy nach und sofort ging es los: Ich sah Teile von Zeitungsberichten über den Angriff. Ich hörte Stimmfetzen, in denen es um diese Zeitungsberichte ging, und manchmal lachte irgendwer. Ich sah Bruchstücke von Texten und E-Mails , die auf den ersten Blick scheinbar keine Verbindung zu Lucy zu hatten, aber jedes Mal
wusste
etwas in meinem Hinterkopf, dass es
doch
eine Verbindung gab.
    Und so was passierte nicht nur, wenn ich an Lucy dachte, sondern einfach ständig. Was immer ich dachte, sofort fing mein Hirn an zu kribbeln und ich spürte in mir, wie sich Dinge verknüpften, wie sie suchten, hinausgriffen   …
    Es war unglaublich.
    Unfassbar.
    Verwirrend.
    Erschreckend.
    Und was es noch schlimmer machte: Egal, was es sein mochte, es veränderte sich dauernd – wurde klarer und gleichzeitig komplexer, als ob es sich irgendwie weiterentwickeln würde   … und das war auch ziemlich unheimlich.
    Doch das Komische ist: Mit den Tagen und Nächten, die vergingen, gewöhnte ich mich irgendwie dran, und als Mr Kirby beschloss, mich nach Hause zu entlassen, kam es mir vor, als ob die Dinge in meinem Kopf schon immer so gewesen wären. Sie waren zwar weiterhin ziemlich unheimlich und ich verstand sie auch immer noch nicht – wobei sich in meinem Gehirn so langsam die ersten schwachen Flatterbewegungen einer unmöglichen Erklärung regten   –, doch zumindest erschreckten sie mich nicht mehr.
    |34| Sie waren einfach da.
    Und sie waren immer noch da, als ich an einem trüben und regnerischen Dienstagmorgen mit Gram aus dem Krankenhaus trat und wir in ein bereitstehendes Taxi stiegen, um den kurzen Weg nach Hause zu fahren.
    Natürlich wusste ich, dass ich mit irgendwem über all dieses Unheimliche hätte sprechen müssen. Ich meine, Mr Kirby hatte mir ja ausdrücklich erklärt, wie wichtig es sei, sofort Bescheid zu sagen, wenn ich irgendwas Ungewöhnliches bemerkte, und das hier war eindeutig ungewöhnlich. Aber   … na ja, ich glaube, ich wollte einfach nach Hause. Ich hatte die Nase voll von Krankenhaus, Ärzten, Schwestern   … Untersuchungen, Fragen   … Kranken. Und ich wusste, wenn ich Mr Kirby von den ganzen komischen Dingen erzählt hätte, die sich in meinem Kopf abspielten, hätte er mich noch länger im Krankenhaus behalten, um noch mehr Tests und Untersuchungen zu machen und noch mehr Fragen zu stellen. Genau das wollte ich nicht. Ich wollte bloß weg von allem, zurück an den Ort, wo ich mich auskannte.
    Nicht dass die Crow Town ein besonders
schöner
Ort ist, wohin man gern zurückkommt   … ehrlich gesagt fragte ich mich schon, während das Taxi durch die vertrauten Straßen von
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