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Titel: iBoy
Autoren: Kevin Brooks
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ungefähr zehn Zentimeter über dem rechten Auge.
    Ich beugte mich näher an den Spiegel heran, berührte die Stelle vorsichtig mit der Fingerspitze   … und zog den Finger |22| fluchend wieder zurück, weil ein leichter Stromschlag hindurchschoss. Nicht stark – eher die Art von Schlag, wie man ihn ab und zu beim Anfassen einer Autoklinke kriegt   –, doch er traf mich vollkommen unvorbereitet. Es geschah einfach so plötzlich.
    Ungewöhnlich.
    Ich betrachtete meine Fingerkuppe, dann starrte ich die Kopfwunde im Spiegel an. Und für einen kurzen Moment glaubte ich etwas zu sehen   … ein schwaches Flimmern in der Haut rund um die Wunde, wie   … keine Ahnung. Wie nichts, was ich je gesehen hatte. Ein Flimmern von etwas Unvorhersehbarem.
    Ich beugte mich noch mal zu dem Spiegel vor und schaute wieder.
    Aber jetzt war nichts mehr zu sehen.
    Kein Flimmern.
    Ich war müde, das war alles.
    Wirklich?
, fragte ich mich.
Und was ist mit den Milliarden Nicht-Bienen und der Definition des Wortes Pterion, die dir vorhin auf unerklärliche Weise in den Kopf geschossen ist? War das auch bloß Müdigkeit?
    Ich antwortete mir nicht.
    Ich war zu müde.
    Ich verließ die Toilette, ging zurück in mein Zimmer und legte mich wieder ins Bett.

|23| 11
    Die Begriffe »Internet« und »World Wide Web« werden oft gleichgesetzt. Doch sie bedeuten nicht dasselbe. Das Internet ist ein globales Daten-Kommunikationssystem, eine Infrastruktur für miteinander verbundene Computer-Netzwerke, die mit Kupferdrähten, Lichtwellenleitern, drahtlosen Verbindungen und so weiter verknüpft sind. Im Gegensatz dazu ist das World Wide Web eine Sammlung miteinander verbundener Dokumente und anderer Quellen, die über Hyperlinks und URLs verknüpft sind – also eine der Dienstleistungen, die via Internet übertragen werden.
     
    Jetzt, nachdem ich nicht mehr im Koma lag und scheinbar wieder normal wurde, war Gram für ein paar Stunden nach Hause gefahren, um sich was anderes anzuziehen, zu duschen und sich um ein paar Dinge zu kümmern, um die sie sich eben kümmern musste. Wie Mr Kirby sagte, hatte sie in den letzten siebzehn Tagen fast ununterbrochen bei mir gesessen. Jetzt konnte sie sich endlich ein kleines bisschen entspannen.
    Deshalb lag ich zum ersten Mal, seit ich aufgewacht war, allein in dem Krankenzimmer und konnte endlich anfangen, über alles nachzudenken.
    |24| Natürlich war das Wichtigste in meinem Kopf das, was Mr Kirby meinen »Unfall« genannt hatte.
    Ich hatte ihn nicht vergessen.
    Egal was die Kopfverletzung in mir angerichtet haben mochte, mein Kurz- und Langzeitgedächtnis hatte sie jedenfalls nicht beschädigt. Ich wusste noch, wer ich war, ich wusste, was mir passiert war, und ich wusste, dass es
kein
Unfall gewesen war.
    Ich erinnerte mich noch ziemlich genau an den fernen Ruf von oben, der wie ein Bellen klang –
Hey, HARVEY!
–, und auch daran, wie ich einen Moment lang dachte, es wäre Ben, Lucys Bruder, der da aus ihrer Wohnung im dreißigsten Stock herunterrief. Ich erinnerte mich auch, dass ich nach oben geschaut und gesehen hatte, wie das iPhone auf mich zugestürzt war   …
    Woran ich mich allerdings nicht mehr genau erinnerte – und was ich mir jetzt ins Gedächtnis zurückzurufen versuchte   –, war die Gestalt, die ich kurz am Fenster im dreißigsten Stock gesehen hatte, die Gestalt, die das Handy geworfen   … absichtlich nach
mir
geworfen hatte.
    Es war kein Unfall gewesen.
    Hey, HARVEY!
    Es war nicht Bens Stimme, da war ich mir ziemlich sicher.
    Hey, HARVEY!
    Und es war definitiv kein Unfall.
    Ich schloss die Augen und forschte in meiner Erinnerung, versuchte, die Gestalt zu fokussieren, versuchte, ihr Gesicht zu erkennen   … doch ich schaffte es nicht. Sie war zu weit weg. Und ich hatte das Gefühl, als ob sie sowieso eine Kapuze getragen hätte, ein schwarzes Kapuzenshirt. Nicht dass das irgendwas zu bedeuten hatte. Alle Jugendlichen in der Crow |25| Town tragen schwarze Kapuzenshirts   … jedenfalls die Gang-Kids – schwarze Kapuzenshirts und schwarze Trackpants. Ist keine Uniform oder so was, doch die Tatsache, dass sie alle dieselben Klamotten anhaben, macht es schwer, die Leute auseinanderzuhalten.
    Ich hatte die Augen noch immer geschlossen, und als ich spürte, wie sich in mir eine wabernde Müdigkeit breitmachte, hörte ich auf, klären zu wollen, wer die Gestalt am Fenster gewesen war. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Fenster, aus dem sie sich gebeugt hatte. Es war
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