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Katja Henkelpott 1 - Katja Henkelpott

Katja Henkelpott 1 - Katja Henkelpott

Titel: Katja Henkelpott 1 - Katja Henkelpott
Autoren: Helmut Sakowski
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Katja Henkelpott

    Wer mich lieb hat, nennt mich Katja Henkelpott, aber ich heiße mit Nachnamen Habenicht und wohne in Rostock. Das ist eine Stadt mit vielen alten Türmen. Sie liegt in den neuen Bundesländern und ist ganz nahe ans Wasser gebaut. Meine Mutter arbeitet im Hafenbüro, mein Vater ist Ingenieur auf der Werft, und ich bin ein selbständiges Mädchen. Morgens gehe ich allein ins Bad, drehe den Hahn auf und spiele mit den Fingerspitzen unter dem Wasserstrahl, oder ich küsse den Waschlappen, bis meine Mutter ruft: »Fertig mit dem Waschen?«
    Dann rufe ich »ja-ha«, klettere auf einen Stuhl und kämme mir vor dem Flurspiegel zwei Pferdeschwänze. Der eine biegt sich über dem linken Ohr, der andere über dem rechten. Das sieht aus, als ob mein Kopf zwei Henkel hätte. Ich betrachte mich gern im Spiegel. Meine Augen können funkeln, und wenn ich den Mund breit ziehe, als wollte ich knurren, schieben sich meine Schneidezähne, die etwas auseinander stehen, über die Unterlippe. Damit kann ich sogar große Jungen erschrecken, meine Mutter leider nicht. Sie sagt dann: »Laß die Faxen, Katja Henkelpott! Hier ist dein Frühstücksbrot, und nun ab in den Kindergarten.«
    Vorher verabschiede ich mich von Flix und Flax, meinen Meerschweinchen. Leider darf ich sie nur streicheln. Mein Vater sagt, es wäre ungesund, wenn ich zuerst die Meerschweinchen auf die Schnauzen küsse und dann meine Mutter auf den Mund.
    Mein Vater stammt aus Pälitzhof, das ist ein kleines Dorf in Mecklenburg. Meine Mutter sagt, er hätte mir die Tierliebe vererbt. Deshalb muß ich mich vor jede Katze hinhocken, die in der Stadt spazierengeht, oder jeden Hund anfassen, der nicht bellt. Weil es zu kostspielig ist, einen Tag um den andern in den Zoo zu fahren, haben mir meine Eltern Flix und Flax gekauft, die billiger waren. Zuerst ging alles gut, dann aber mußte der Kindergarten vorübergehend schließen, weil die Stadt zu arm war. Ich fand das schön. Bis Mittag paßte eine Freundin meiner Mutter auf mich auf. Nachmittags war ich ein Schlüsselkind und konnte also ins Haus, wann ich wollte.
    Einmal weidete ich Flix und Flax auf dem bißchen Wohngrün vor unserem Haus. Da raste ein Laster heran, der hatte Heu geladen. In der Kurve verlor er ein Bündel. Das Heu duftete nach Kräutertee, und Flix und Flax machten sich darüber her. Da meinte ich es gut mit den Meerschweinchen. Zuerst trug ich sie hinauf in den fünften Stock und hinterher das Heu, das sie so mochten. Ich mußte es mehrmals in die Arme nehmen und ein paarmal die Treppen steigen. Dabei verstreute ich einige Halme und Kleeblüten auf den Stufen. Es raschelte beim Steigen, und es sah schön aus, und das ganze Haus roch wie eine getrocknete Sommerwiese.
    Leider haben sich die Nachbarn nicht darüber gefreut. Meine Eltern waren noch nicht von der Arbeit zurück, da klingelte es. Ich nahm Flix auf den Arm und öffnete, und dann fragte ich höflich: »Ja, bitte?«
    Vor der Tür standen viele Leute aus allen Stockwerken. Ich habe Frau Rahmhase niemals die Zunge herausgestreckt, trotzdem schrie sie, ob ich mich nicht schäme.
    Ich sagte: »Nein.«
    Da nannten mich die Leute ein Früchtchen.

Die silbernen Nüsse

    Endlich kam Mutter von der Arbeit heim. Sie wunderte sich über die vielen Menschen auf der Treppe. Sie bildeten eine Gasse, und oben, an ihrem Ende, stand ich und schielte auf meine Nasenspitze. Das mache ich, wenn ich ein schlechtes Gewissen habe. Die Hausbewohner starrten auf meine Mutter und machten so spitze Bemerkungen, daß es ihr weh tat. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie durch das Spalier der aufgebrachten Menschen nach oben stieg und »Entschuldigung« sagte. Und später sagte sie, es wäre ein Spießrutenlaufen gewesen, und fragte meinen Vater, ob sie nicht schon genügend Sorgen hätte.
    Mein Vater sagte: »Weißt du was, solange der Kindergarten geschlossen ist, bringen wir Katja Henkelpott zu Großmutter Habenicht nach Pälitzhof. Dort auf dem Dorf kann sie Tiere streicheln, sooft sie mag und im Stall das Heu verstreuen, soviel es davon gibt. Flix und Flax dürfen mit ihr reisen.« Meine Mutter fragte mich: »Wollen wir es so machen?«
    Ich war einverstanden.
    Seitdem wohne ich in Pälitzhof, das ist ein kleines Dorf in Mecklenburg, wo es sehr alte Bäume und sehr alte Häuser gibt. Großmutters Kate wurde von ihrem Großvater gebaut. Damals gab es in Deutschland noch einen Kaiser, aber eine Demo gab es auch schon, und sie haben ihn weggejagt. Meine
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