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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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Nase und musterte Laura von oben bis unten.
    «Sie sehen nicht nach Sozialdienst aus!»
    «Wie sieht Sozialdienst Ihrer Meinung nach aus?»
    «Anders. Ohne Sonnenbrille und Ohrringe.»
    «Warum dürfen Leute vom Sozialdienst keine Sonnenbrille oder Ohrringe tragen?»
    «Dürfen schon. Aber nicht so eine Brille und nicht solche Ohrringe.»
    Laura fragte sich einen Augenblick lang, welche Ohrringe sie an diesem Morgen angelegt hatte. Mit einer Hand fasste sie ans rechte Ohr. Es waren die großen silbernen Creolen, die ihr Ex-Mann Ronald ihr vor vielen Jahren geschenkt hatte.
    «Was stimmt nicht mit den Ohrringen?», fragte sie.
    «Zu auffällig. Wollen Sie der Frau Neugebauer aus der Hand lesen?» Sein Blick war herausfordernd.
    «Interessante Vorurteile, die Sie da über Ohrringe haben, junger Mann. Sind Sie der Türsteher von Frau Neugebauer?»
    «So was Ähnliches, wenn es Ihnen nichts ausmacht.»
    Laura fand die Situation zwar interessant, aber es wurde ihr einfach zu heiß. Wenn es kühler gewesen wäre, hätte sie diese Unterhaltung sicher noch eine Weile fortgesetzt, so aber zog sie den Dienstausweis aus ihrem kleinen Rucksack und hielt ihn dem jungen Mann hin.
    «Hauptkommissarin Laura Gottberg», murmelte er, hielt die Plastikkarte gegen das Licht, drehte sie um und rieb sie zwischen den Fingern.
    «Ist echt!», sagte Laura. «Darf ich die Ohrringe anbehalten?»
    «Mich stört jetzt mehr die Sonnenbrille. Oder sind Sie verdeckte Ermittlerin?»
    Er war ohne Zweifel schlagfertig.
    «Ich hab ein blaues Auge, wenn Sie’s genau wissen wollen.»
    Er hob seine Brauen, verkniff sich aber die freche Bemerkung, die Laura geradezu in seinen Augen lesen konnte.
    «Was wollen Sie von der Frau Neugebauer?»
    «Was geht Sie das an?»
    «Patt.»
    «Können Sie auch ernst sein?»
    «Wenn es nötig ist.»
    «Es ist nötig. Also, warum sind Sie so um die Frau Neugebauer besorgt?»
    «Hier passen alle auf. Alle im Haus. Sie wäre dreimal beinahe auf Trickdiebe reingefallen, und vor zwei Monaten war eine falsche Polizistin bei ihr, die wahrscheinlich auch was klauen wollte. Die alte Frau hat sich furchtbar aufgeregt, und seitdem passen wir anderen Hausbewohner auf.» Er zuckte die Achseln. «So gut es eben geht.»
    «Das ist nett. Nachbarn sollten zusammenhalten. Aber eins kann ich Ihnen sagen, Herr …»
    «Kolpy, Adrian Kolpy.»
    «Gut, Herr Kolpy! Die falsche Polizistin war ich. Wer hat Ihnen das von der falschen Polizistin erzählt?»
    «Die Frau Neugebauer.»
    «Dann hat sie sich in diesem Fall geirrt. So, und jetzt klingeln wir gemeinsam bei der alten Dame, und Sie bleiben bitte bei mir, weil sie mich sonst wieder für eine falsche Polizistin hält.»
    Wieder zuckte er die Achseln.
    «Wir können’s versuchen. Aber sie macht nicht immer auf. Ein paarmal haben wir schon gedacht, dass sie tot ist, weil sie nicht reagiert hat.» Er lachte auf. «Wissen Sie, was sie gesagt hat? Eine Klingel ist doch kein Befehl! Da kann man doch antworten oder nicht! Wenn ich nicht will, dann kann mich niemand zwingen, dass ich mit ihm rede oder die Tür aufmache! Das hat sie gesagt. Ist schon ein Original, die Frau Neugebauer.»
    Laura schob die Sonnenbrille auf ihr Haar. Er wusste ja jetzt, dass sie ein blaues Auge hatte, und es war ziemlich dämmrig im Treppenhaus.
    «Also, ich würde vorschlagen, dass wir klopfen», sagte er. «Auf Klopfen reagiert sie eher als auf Klingeln.»
    Er klopfte, horchte, klopfte heftiger. «Ich bin’s, Frau Neugebauer, der Adrian.»
    «Is was mit der Neugebauer?», rief eine dünne Stimme aus einem der oberen Stockwerke.
    «Nein!», brüllte Adrian Kolpy zurück.
    «Warum schreist dann so?»
    «Weil sie mich sonst nicht hört!» Der junge Mann tippte sich an die Stirn und wies mit der Hand nach oben. «Das reinste Irrenhaus!», murmelte er und klopfte wieder an die Tür der alten Frau, lauschte.
    Wahrscheinlich steht Anna Neugebauer hinter der Tür und horcht, dachte Laura und musste bei der Vorstellung lächeln. Das passte zum Irrenhaus. Als die Wohnungstür sich völlig unerwartet öffnete, wusste Laura, dass ihre Vermutung richtig gewesen war. Groß und hager wie beim letzten Mal stand Anna Neugebauer im halbdunklen Flur.
    «Was ist denn los?!» Sie betonte jedes Wort einzeln und steigerte dabei die Lautstärke.
    «Da ist jemand, der will mit Ihnen reden, Frau Neugebauer. Eine Kriminalkommissarin.»
    Anna Neugebauer musterte Laura und verzog das Gesicht.
    «Das ist keine Kommissarin, das ist eine Spionin.
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