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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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haben die Frau Maron und ihre Tochter sofort bei uns versteckt. Aber auf Dauer war das zu gefährlich, weil der Dobler und ein paar andere dauernd herumspioniert haben. Deshalb haben wir jemand gesucht, der zuverlässig war.» Er trank einen kleinen Schluck aus dem Schnapsglas und atmete tief ein. «Blieben nicht viele, das kann ich Ihnen sagen, Frau Kommissarin. Aber immerhin die Frau von unserem kleinen Lebensmittelladen, ein Gärtner in unserer Nachbarschaft und die Frau Neugebauer.»
    «Die alte Frau, die nicht mit mir reden wollte? Die sagte, dass der Dobler ein schlechter Mensch gewesen sei? Deren Mann ein Nazi war und von Dobler an die Amerikaner verraten wurde?»
    «Genau die! So kann man sich täuschen, Frau Kommissarin, nicht wahr!» Er nickte vor sich hin und schwieg eine Weile. Die Fliegen unter der Lampe summten laut.
    «Wir haben die Frau Maron und die kleine Lea dann in der Gärtnerei versteckt. Das war ein Familienbetrieb, keine Angestellten. Nur so hat das funktioniert. Und es hat gut funktioniert, fast ein Jahr lang. Die Frau vom Lebensmittelladen hat es irgendwie geschafft, was zu essen für die Marons abzuzweigen. Gab ja alles nur auf Zuteilung. Wer keine Marken hatte, der musste hungern.» Er atmete schneller, legte eine Hand auf sein Herz und verzog das Gesicht. Besorgt beugte Laura sich vor.
    «Wir können auch morgen weitermachen, wenn es Sie zu sehr aufregt.»
    Er schüttelte heftig den Kopf.
    «Nein, nein! Ich verlass mich nicht auf ein anderes Mal. Das muss jetzt gesagt werden und nicht später! Auch wenn’s mich umbringt! Könnten Sie mir noch einen Schnaps einschenken, Frau Kommissarin?»
    «Ich glaub nicht, dass es Ihnen guttut …»
    «In meinem Alter darf ich alles!», erwiderte er scharf. «Ich kann die Wahrheit sagen, und ich kann so viel Schnaps trinken, wie ich will. Das ist das einzig Gute am Alter, Frau Kommissarin: dass man sich mehr traut! Also, krieg ich jetzt meinen Schnaps?»
    Laura zuckte die Achseln und goss sein Glas halb voll.
    «So, und jetzt sag ich Ihnen, wie das weiterging. Eines Tages hat der Dobler das Versteck der Frau Maron gefunden. Bis heute hab ich keine Ahnung, wie er das geschafft hat. Er hat es dem Gauleiter gesagt, und der hat die Gestapo geschickt. Das ging so schnell, dass wir nichts mehr machen konnten. Den Gärtner und seine Frau haben sie auch gleich mitgenommen. Die haben zum Glück das KZ in Dachau überstanden. Aber die Frau Maron ist nicht mehr zurückgekommen und die kleine Lea auch nicht.» Er griff nach dem Schnapsglas, trank es leer und hustete heftig. Ein Schweißtropfen lief über seine rechte Schläfe, dann über seine Wange zum Kinn und tropfte auf sein Hemd.
    «Ja, so war das», murmelte er nach ein paar langen Minuten. «So war das. Warum sagen Sie nichts, Frau Kommissarin?»
    «Was soll ich denn sagen?»
    «Ach, gar nichts, nichts! Sie haben ja recht. Da kann man nichts sagen.» Er zog mit zwei Fingern die Bügelfalten seiner Hose nach.
    «Und Ihnen ist nichts passiert?»
    Er schüttelte den Kopf, starrte auf seine Hände, die Bügelfalten.
    «Nein. Wir haben es selbst nicht verstanden, haben wochenlang kaum geschlafen vor Angst. Aber niemand kam zu uns und auch nicht zur Frau Neugebauer. Die Frau vom Lebensmittelladen hat der Gauleiter verhört. Aber sie ist nicht nach Dachau gekommen, weil sie die Einzige war, die sich mit den Lebensmittelmarken auskannte. Aber ich kann Ihnen sagen, die hat nach dem Verhör keinen Mucks mehr getan, bis der Krieg zu Ende war.»
    «Wie haben Sie und Ihre Frau mit dieser traurigen Geschichte gelebt?»
    Er warf Laura einen dunklen Blick aus halbgeschlossenen Augen zu und kniff die Lippen zusammen. Endlich sagte er: «Sie hat uns nie verlassen, diese Geschichte, das kann ich Ihnen versichern. Wir haben weitergelebt, unsere Kinder aufgezogen, waren auch glücklich – aber die Frau Maron und Lea, die waren so eine Art Schatten, der immer mit uns gelebt hat. Ich träum noch heut von ihnen. Und wissen Sie, was meine Frau kurz vor ihrem Tod gesagt hat? ‹Ich hoff, dass ich sie wiedersehe›, das hat meine Frau gesagt. Jetzt wissen Sie, warum es um den Dobler nicht wirklich schad ist, Frau Kommissarin. Er war ein feiger Denunziant – da war die Stasi im Osten ein Dreck dagegen. Da wurden die Menschen wenigstens nicht gleich umgebracht.»
    Wieder schwiegen sie lange. Endlich stand der alte Mann mühsam auf, ging zum Fenster und zog die Vorhänge zu, um die Sonne auszusperren.
    «Vielleicht hat Lea
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