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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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erinnerst dich vielleicht, dass ich gestern Dienst hatte.»
    «Sag schon!»
    «Immer langsam. Der alte Herr ist aus der Reha entlassen worden und wieder zu Hause. Er würde sich gern mit dir unterhalten. Aber nur mit dir allein – nicht mit mir und auch sonst mit niemandem.»
    «Hat er das gesagt?»
    «Das hat er ganz klar gesagt. Am Anfang wollte er nicht mal am Telefon mit mir reden, sondern nur mit dir.»
    «Was hast du eigentlich mit ihm gemacht, als ich vor zwei Monaten in Siena war?»
    «Gar nichts. Ich habe ihm Fragen gestellt. Macht man das in unserem Beruf nicht so?»
    «Es gibt aber verschiedene Varianten, Kommissar Baumann. Man kann zum Beispiel Leute so unter Druck setzen, dass sie tot umfallen.»
    «Ich hab ihn nicht unter Druck gesetzt, Laura. Warum fängst du eigentlich immer wieder davon an? Mayer hatte einen Herzinfarkt, weil er ein schwaches Herz hat. Natürlich haben ihn die Fragen aufgeregt – aber deine genauso wie meine. Ist das klar?»
    «Und warum will er dann nicht mit dir reden?»
    «Was weiß ich? Vielleicht passt ihm meine Nase nicht. Vielleicht steht er auf Frauen … also, du weißt jetzt, dass er wieder zu Hause ist. Mach damit, was du willst!»
    Peng! Peter Baumann hatte das Gespräch beendet. Langsam legte Laura den Hörer zurück.
    Also ist was dran an meinen Vermutungen, dachte sie. Sonst würde er nicht so hochgehen. Oder lag es daran, dass sie die Angelegenheit ein bisschen zu häufig angesprochen hatte? Durchaus möglich. Laura kannte ihre Fehler. Vielleicht würde sie sich später bei ihm entschuldigen … vielleicht.
    Immerhin bescherte seine Information ihr noch Zeit. Sie wusch einen Apfel und setzte sich wieder auf den Balkon. Noch war die Hitze erträglich, fühlte sich so harmlos an wie an einem normalen Sommertag. Laura ließ den Fall Dobler noch einmal an sich vorüberziehen. Sie schloss die Augen, um die Bilder deutlicher zu sehen.
    Man hatte Dobler tot in seiner Wohnung gefunden, nachdem er dem jungen Mann von «Essen auf Rädern» die Tür nicht aufgemacht hatte. Als Laura den Tatort betrat, lag er zusammengekrümmt auf dem Boden, eine Schulter an den Wohnzimmerschrank gelehnt. Als Erstes war ihr sein Gesichtsausdruck aufgefallen, blankes Entsetzen hatte aus diesem Gesicht gesprochen. Als hätte der alte Mann ein Ungeheuer gesehen. Auf dem Tisch stand noch eine Tasse mit etwas Kaffee und einem Rest des Gifts. Aber nirgendwo in der Wohnung gab es auch nur den geringsten Hinweis auf irgendwas. Keine Fingerabdrücke von Fremden, keine Tüte oder Dose, in der das Gift aufbewahrt wurde, absolut gar nichts. Keiner der Nachbarn hatte jemanden kommen oder gehen sehen. Und doch: Der Gesichtsausdruck des Toten und dieses seltsame Nichts an Spuren hatten Laura misstrauisch gemacht.
    Natürlich wusste sie, dass die Selbstmordrate bei alten alleinstehenden Männern ziemlich hoch war. Aber eine Vergiftung mit dem Pflanzenschutzmittel E 605 war keine besonders angenehme Art zu sterben. Unwahrscheinlich also, dass jemand es freiwillig schluckte.
    Laura biss in den Apfel und kaute nachdenklich. Eine Taube landete vor ihr auf dem Balkongitter, fuhr erschrocken zurück und taumelte mit klatschenden Flügeln davon. Laura zuckte ebenfalls leicht zusammen. Ihr türkischer Nachbar, Ibrahim Özmer, schaute aus seinem Wohnzimmerfenster und verbeugte sich in ihre Richtung. Laura winkte ihm zu, betrachtete dann den angebissenen Apfel und versuchte sich an ihren Gedankengang zu erinnern.
    Sie war bei Doblers rätselhafter Vergiftung gewesen. Wer sollte einen alten Mann von 91 Jahren ermorden? Eiskalt und sehr professionell, ohne etwas zu berühren oder zu stehlen. Viel zu holen gab es ohnehin nicht bei Gustav Dobler. Billige Möbel und einen Kanarienvogel, mehr besaß er nicht, auch keine Verwandten und Freunde. Jedenfalls meldete sich nach seinem Tod niemand, und sie fanden auch keine Angehörigen.
    Deshalb hatte Laura damit begonnen, ein bisschen in Doblers Vergangenheit herumzusuchen, und dabei schnell herausgefunden, dass er während des Zweiten Weltkriegs Haus- und Blockwart in einer Münchner Wohnungsbaugenossenschaft gewesen war. Von den alten Mietern lebten nicht mehr viele, aber einige gab es noch. Und so war Laura auf Karl-Otto Mayer gestoßen.
    Sie musste lächeln, wenn sie an die erste und bisher einzige Begegnung mit dem alten Herrn dachte. Seine Wohnung war ihm zu groß geworden, deshalb hatte er einfach drei Zimmer abgesperrt und betrat sie nicht mehr. Ehe er sich auf
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