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Die Todesliste

Die Todesliste

Titel: Die Todesliste
Autoren: Frederick Forsyth
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PROLOG
    Im dunklen und geheimen Herzen Washingtons gibt es eine kurze und sehr geheime Liste. Sie enthält die Namen von Terroristen, die als so gefährlich für die USA , ihre Bürger und ihre Interessen gelten, dass sie zum Tode verurteilt worden sind, ohne dass man den Versuch gemacht hätte, sie festzunehmen, vor Gericht zu stellen oder sonst wie nach Recht und Gesetz zu verfahren. Sie heißt »die Todesliste«.
    Jeden Dienstagmorgen wird die Todesliste im Oval Office durchgesehen und möglicherweise verändert, und zwar durch den Präsidenten und sechs Männer – niemals mehr, niemals weniger. Zu ihnen gehören der Direktor der CIA und der Vier-Sterne-General, der die größte und gefährlichste Privatarmee der Welt befehligt: das J-SOC , das angeblich gar nicht existiert.
    An einem kalten Morgen im Frühjahr 2014 wurde ein neuer Name auf die Todesliste gesetzt. Er war so schemenhaft, dass selbst sein wahrer Name nicht bekannt war, und die gigantische Maschinerie der amerikanischen Terrorismusbekämpfung hatte kein Bild von seinem Gesicht. Wie Anwar al-Awlaki, der amerikanisch-jemenitische Fanatiker, der seine Hasspredigten über das Internet verbreitet hatte und 2011 durch eine von einer Drohne abgefeuerte Rakete im Nordjemen getötet worden war, war auch dieser Neuzugang ein Onlineprediger. Seine Reden hatten eine solche Macht, dass junge Muslime in der Diaspora sich dem ultraradikalen Islam zuwandten und in seinem Namen Morde begingen.
    Wie Awlaki präsentierte sich auch der Neuzugang in perfektem Englisch. Da man seinen Namen nicht kannte, nannte man ihn einfach den Prediger.
    Der Auftrag ging an J-SOC , und deren Oberbefehlshaber gab ihn an TOSA weiter, eine so obskure Organisation, dass achtundneunzig Prozent der diensttuenden amerikanischen Offiziere noch nie davon gehört haben.
    Tatsächlich ist TOSA eine sehr kleine Abteilung mit Sitz im nördlichen Virginia, und ihre Aufgabe ist es, Terroristen zur Strecke zu bringen, die sich der strafenden Gerechtigkeit Amerikas entziehen wollen.
    An diesem Nachmittag kam der Direktor der TOSA , im amtlichen Verkehr bekannt als Gray Fox, in das Büro seines leitenden Menschenjägers und legte ihm ein Papier auf den Schreibtisch. Darauf standen nur die Worte:
    Der Prediger. Identifizieren. Lokalisieren. Eliminieren.
    Darunter stand die Unterschrift des Oberkommandierenden, des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Damit war dieses Papier eine präsidentiale Exekutivorder, eine EXORD .
    Der Mann, der die Order betrachtete, war ein fünfundvierzig Jahre alter undurchsichtiger Lieutenant Colonel des U.S. Marine Corps, der in diesem Gebäude und außerhalb davon nur unter einem Codenamen bekannt war. Er hieß DER SPÜRHUND .

ERSTER TEIL
AUFTRAG

EINS
    Hätte man ihn gefragt, so hätte Jerry Dermott die Hand aufs Herz gelegt und geschworen, er habe niemals in seinem Leben wissentlich jemandem etwas angetan und nicht verdient zu sterben. Doch das rettete ihn nicht.
    Es war Mitte März in Boyse, Idaho. Allmählich lockerte der Winter seinen Griff. Aber auf den hohen Gipfeln rings um die Staatshauptstadt lag Schnee, und der Wind, der von diesen Gipfeln herunterwehte, war noch bitterkalt. Die Menschen auf den Straßen hatten sich in warme Mäntel gehüllt, als der Abgeordnete aus dem Staatsparlament in der 700 West Jefferson Street kam.
    Er trat aus dem prachtvollen Portal des Capitols und ging die Treppe von den Sandsteinmauern zur Straße hinunter, wo sein Wagen fahrbereit parkte. Gewohnt freundlich nickte er dem Polizisten auf der Treppe vor dem Portikus zu und sah, dass Joe, sein getreuer, langjähriger Fahrer, um den Wagen herumkam und die hintere Tür öffnete. Die vermummte Gestalt, die sich von einer Bank weiter unten am Gehweg erhob und in Bewegung setzte, bemerkte er nicht.
    Die Gestalt trug einen langen dunklen Mantel, der nicht zugeknöpft war, von innen jedoch mit den Händen zugehalten wurde. Auf dem Kopf saß eine Art gehäkelte Schädelkappe, aber merkwürdig – falls jemand genauer hingeschaut hätte, was jedoch niemand tat – wäre nur gewesen, dass unter dem Mantel keine Beine in Jeans zu sehen waren, sondern ein langes weißes Hemd. Später würde man ermitteln, dass es sich um ein arabisches Dischdasch handelte.
    Jerry Dermott war dicht vor der geöffneten Wagentür, als eine Stimme rief: »Abgeordneter!« Er drehte sich um. Das Letzte, was er auf Erden sah, war ein dunkles Gesicht, das ihn anstarrte. Die Augen wirkten leer, als sähen sie etwas
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