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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage
Autoren: Walter Kempowski
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Sowtschick, und das sei gar nicht so einfach. Der Kapitänsvergleich bot sich an, den ließ er jetzt vom Stapel, und dann sagte er, er schreibe grade an einem Roman, richtig mit Liebe und allem Drum und Dran, den man übrigens auch kaufen kann eines Tages in jeder Buchhandlung. Schade, daß jetzt alles zu ist, sonst wäre er schnell losgeeiert und hätte ihr eines seiner Bücher gekauft.

    Das fand sie nun sehr interessant, das regte sie an, und sie redete vor sich hin, mit einfacher Stimme, immer geradeaus, ihre ganze Geschichte gab sie von sich, Schulsachen, Disko und schließlich das Kind. Sieben Jahre alt war es nun schon, und bei der Omma wohnte es, und daß sie morgen nach Holland trampen will, aber sie weiß nicht, ob ihre Bekannten überhaupt da sind, aber das sei kein Problem …

    Sowtschick sagte weiter nichts. Er hörte zu, wie sie redete, nicht was, westfälisch war sie angehaucht, «von bei Bielefeld weg» sei sie, und sie sprach in die Gegend, wie’s gerade kam. Er wußte nicht, was er mit den Geschichten anfangen sollte, und mit ihr, und er dachte an Viren, die auf der Lauer liegen, um ihm auf mittelalterliche Weise den Garaus zu machen. Wenn er hier irgend etwas mit ihr beginnen wollte, müßte er sie zunächst unter die Dusche kriegen, damit ihr gedrungener Körper durch das in Mäandern an ihr herunterfließende Wasser gründlich gereinigt würde.

    Sie schaufelte den Kartoffelsalat in sich hinein, und als sie alles aufgegessen hatte, war sie auch mit ihrer Geschichte fertig. Sie schwieg also, und nun war er an der Reihe mit Erzählen, die Erika-Sache noch einmal ganz von vorn, daß man darüber ein Buch schreiben könnte, Erika und die vier, ja sechs Mädchen: das singende, springende Löwenheckerchen und die Kanalschwimmerin, Petra und Rebecca und seine beiden Raubritter. Dann sprach er von Carola, seiner Freundin, daß man über die auch ein Buch schreiben könnte. Bei Carola verweilte er lange, und er beschrieb die kleine Kajüte an der Elbe. Daß das eine Frau sei, mit der man gut essen gehen kann, ganz attraktiv, das sei aber auch alles! Die lebe auf Kosten anderer wie eine Drohne. – Dann kam die Jury-Sitzung an die Reihe, wie anstrengend das Gequatsche ist, aber finanziell ganz interessant. Man muß ja sehen, woher man die Moneten kriegt. Im letzten Jahr das Steuerfiasko, Gott, hatten sie ihn gerupft! Alle dächten, er schwimme im Geld, und dabei müsse er doch wahnsinnig viel Steuern zahlen. Und er rechnete es ihr vor, was er zahlen muß, alle Vierteljahr. – Die Leute dächten, daß ihm alles in den Schoß gefallen sei, sagte er. Haus, Park, Flügel, er habe dafür hart arbeiten müssen, acht, zehn Stunden täglich, und nie Urlaub. Früher ja, Burgund, Oberitalien, Südamerika, Kirchen angucken, «aber das hat man bald satt …», so renommierte er. Der Film mit der Schönboom kam an die Reihe, das Fernsehen überhaupt …

    Und dann sprach er von dem Mord an Ohltrop: Er habe merkwürdigerweise die Vorstellung gehabt, daß «Carlos» plötzlich nachts an seinem Bett auftauchte, ein Messer in der Hand, und sie dahinter.

    «Ich?»

    «Ja.» Er sehe es vor sich, wie sie eine Wäscheleine holt und ihm die Füße fesselt, während Carlos ihm das Messer unter die Nase hält und nach seinem Geld fragt.

    Die Frau hörte sich seine Visionen mit offenem Mund an. Wie’s weitergeht, wollte sie wissen, und Sowtschick malte ihr die sonderbarsten Folterungen aus, den Keller, in den er hineingestoßen würde, mit dem Fuß nachtreten, und er dachte dabei an sein Buch «Kaum einen Finger breit», diese Widerstandssache, in dem Sonja Schönboom das zu tun hatte, was er jetzt der Scherenschleiferin anpaßte. Weiter ging er nicht, er scheute sich, seine bis ins einzelne gehenden Vorstellungen auszusprechen. Statt dessen beschrieb er sein Haus. Und während er das tat, wußte er, daß die Beschreibung seiner Vision vom Abschlachten die einzige Möglichkeit war, mit dieser Frau in Kontakt zu kommen. Und dazu hätte er sie nicht unter die Dusche zu zerren brauchen, da war der Dreck, der an ihr und an ihrer Cordhose haftete, grade recht! Daß sie plötzlich aufspringen würde, stellte er sich vor, und auf ihn einschlagen, die Brille fliegt weg, links, rechts, egal, ob in seinem Gehirn sich grade irgendwelche Bilder ins Wort erlösen. Wie auf dem Markt die Fischfrauen Karpfen aufschlitzen, so würde sie hoch über ihm ein Messer erheben und zustoßen! Herrlich dieser Tod. Wollust und Schmerz würden ihn ins
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