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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage
Autoren: Walter Kempowski
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Sowtschick herausbringen, daß sie bis zu ihrem Pavillon vorgedrungen war. Die Karaffen mit den süßen geistigen Getränken! Der Kelim! Für immer ruiniert! …

    Das Telefon war noch intakt, Sowtschick rief die Polizei an, und Wagner, der Kommissar, traf, obwohl es Sonntag war (wie er betonte), ziemlich bald ein. Mit vorwurfsvollem Gesicht wurde ihm das Haus gezeigt. Harmlose Bürger verhaften, das kann die Polizei, aber einen solchen Akt des Vandalismus verhindern, das kann sie nicht: «Wie geht’s Ihrem Schwager?» Wagner aber hatte eine starke Position, die Fluchtburg, oben, die er angeregt hatte, war unversehrt geblieben. Wenn Sowtschick nach seinem Rat sich gerichtet hätte und alle Pretiosen nach oben gebracht, dann wären sie nicht zerstört worden.

    Ohne auf Sowtschicks Vorwürfe einzugehen, bezeichnete er die ganze Sache hier diagnostisch als Vandalismus. So, als ob damit alles erledigt sei. Er klärte die Frage, wie die Täter – «das war ja Schwerstarbeit» – in das Anwesen hatten eindringen können. Über den niedergetretenen Zaun hinweg, das war rasch herauszubringen, durch die offengelassene Alleetür, und dann systematisch von einem Raum in den anderen. Sogar das Schwimmbad hatten sie sich vorgenommen, das sah man jetzt: alle Pflanzen ins Wasser gestürzt, die Spiegel zertrümmert, Diesel ins Wasser gekippt.

    Eine nochmalige Untersuchung der Alleetür ergab, daß sie vielleicht doch abgeschlossen gewesen war, die Kratzspuren? Mit einem gebogenen Draht geöffnet. «Ich denke», sagte der Beamte gnädig, «das kann ich der Versicherung gegenüber auf meine Kappe nehmen, daß hier abgeschlossen war», womit Sowtschick erneut in Dankbarkeitszwang geriet.

    Hinsichtlich der Täter und deren Dingfestmachung war Wagner zuversichtlich: Die Mofa-Bande kam dafür in Frage. Denen sei vermutlich auch die Verwüstung der Senneschalk-Baracke zuzuschreiben, im Moor vor vierzehn Tagen, das war die gleiche Handschrift.

    Als sie da so von einem Dreckhaufen zum nächsten stiegen – Sowtschick dachte grade daran, daß er nun für die weggeworfenen Gedichte des aufdringlichen Jünglings eine Ausrede habe –, traf auch Frau Schmidt, die Reinemachefrau, ein. Aus Berlin war sie zurückgekehrt von all ihren Enkelkindern. Sie hatte ihren Mann mitgebracht und eine Nachbarsfrau, das Gesangbuch noch unter dem Arm. Alle hatten den Kopf in die Hand gestützt und riefen: «Nein, o nein!»

    Immer mehr Menschen versammelten sich im Haus: Der Fernfahrer Lohmeier, «Klaussi», Tante Hertha, die Zeitungsfrau und die Pferdemädchen, die diese Gelegenheit nutzten, sich Sowtschick wieder zu nähern. Insbesondere die Zerhackung der Videokassetten beklagten sie. «Nein, o nein!» wurde wieder und wieder gesagt, und allen war es klar, daß es die Mofa-Jugend gewesen sein mußte, zuzutrauen wär’s der. Und außerdem: die Reifenspuren, die Bierdosen, das Mofa-Werkzeug, das zu Zertrümmerungszwecken benutzt worden war, und das völlige Ausbleiben der Kerle, jetzt, wo’s endlich mal was zu sehen gab. Beim Brand des «Fron-Hus» waren sie sofort zur Stelle gewesen. Unter der Mofa-Jugend waren die Täter zu suchen, die hatte sich, wie zu erfahren war, der Tat bereits gerühmt.

    Und das Motiv? Neid wegen all der Mädchen?

    Während Sowtschick eine Art Rede hielt an die Anwesenden, daß er dem Dorf jetzt was hustet, bisher sei er für alle dagewesen, nun sei absolut Sense, als er sich wort-und gestenreicher aufschaukelte zu einer rhetorischen Glanzleistung, traf auch Edmund Ballon ein, vom «Kreuzthaler Tageblatt», Fotoapparat vorm Bauch und Stenoblock in der Hand. Der sammelte Material für grundsätzliche Betrachtungen. Ob das Bürgertum nicht auch ein gerüttelt Maß von Schuld hat an solchen Exzessen? Angesichts der Not der Jugend ein Wohlleben zu führen, wie es in der Geschichte der Menschheit ohne Beispiel ist?

    Sowtschick stellte seine Deklamationen ein. Er gab sich schroff, er drängte den feuilletonistischen Schöngeist hinaus und mit ihm die Kirchgänger im Sonntagsstaat. Ob er die Aktentasche noch braucht, wurde er von einem Bauern gefragt.

    «Also, bei Gott! Nun reicht’s!» rief Sowtschick. «Raus!»

    Und während er die überall herumliegenden Großfotos der Sommer-Mädchen einsammelte, denen die Augen ausgestochen waren, und Stühle wieder aufstellte, ging Marianne in die Küche, sie fegte vom Herd die Scherben herunter. Dann tat sie den Rest von Sowtschicks heiligem Schmalz in die Pfanne und schlug ein paar Eier
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